Pop für Genießer.
Der Niederländer Tim Berkestijn - der hinter dem Namen Benny Sings steckt - gehört zu der Garde von jungen Musikern, für die Pop-Musik nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit trendigen, kommerziell orientierten Sounds ist. Das gilt zum Beispiel auch für so unterschiedliche, aber im Geiste verwandte Künstler wie Joel Sarakula, Mayer Hawthorne, Young Gun Silver Fox oder Zervas & Pepper, die auffällig melodisch, dabei aber auch raffiniert und spannend klingen. Und bei all diesen Namen kommt immer wieder die Gruppe Steely Dan um die innovativen Soundtüftler Donald Fagen und Walter Becker als Einfluss in den Sinn. Deren elegante, ausgeklügelte Songs dienen immer noch vielen Musikern als sinnvolle, wichtige und geistreiche Fixpunkte und sind somit eine nicht enden wollende Quelle an Inspirationen für kluge, wendige, attraktive und dabei in sich geschlossen wirkende Kompositionen.
"Music" ist seit 2003 bereits das achte Album, dass unter dem Pseudonym Benny Sings erschienen ist. Tim Berkestijn macht Musik, die man sich ins Radio wünscht. Gleich der Opener "Nobody’s Fault" gibt das Credo des Nachfolgealbums von "City Pop" aus 2019 wieder: Spielerische Leichtigkeit darf durchaus auch mit komplexen und verwinkelten Momenten gespeist werden. Solange dadurch nicht der milde, weltoffene Charme, die elastischen Tonfolgen oder der lässige Groove verloren gehen. In diesem Sinne ist "Nobody’s Fault" ein Musterbeispiel an unterschwellig ausgedrückter Leidenschaft mit nobler Ausdrucksweise geworden. Das Lied beinhaltet sowohl Heiterkeit wie auch überlegene Souveränität. Die ausgelassene Stimmung bekommt eine kunstvolle Füllung aus stabiler Rhythmik und anspruchsvoller Instrumentierung verpasst.
Für "Here It Comes" wird das Temperaments-Level mindestens einen Gang zurück geschaltet, was dem Track eine gewisse Unscheinbarkeit zu verleihen scheint. Aber weit gefehlt: Die sich behäbig dahin schleppenden Töne finden zwar nur langsam, dafür aber effektiv ihren Weg, der sie tief in die Gehörgänge führt. Dort sorgen sie für einen ständigen Widerhall. Ein unverhoffter Ohrwurm ist geboren. Der "Sunny Afternoon" wird nicht ausgelassen gefeiert, sondern besonnen und leicht beschwingt genossen. Benny Sings bietet einen lässigen Sound an, bei dem gegen Ende froh gestimmte Geigen einen zusätzlichen Lichtblick generieren.
Bei "Rolled Up" singt Benny im Duett mit Mac DeMarco. Beide setzen sich gesanglich gegenüber stolpernden, unsicheren Takten durch und erzeugen so das merkwürdige Gefühl, das sich ergibt, wenn man sich grundlos niedergeschlagen fühlt. Die Stimmen versinken jedoch nicht in Selbstmitleid, sondern schaffen es mit Hilfe von Zweckoptimismus, die schlechte Laune zu überlisten. Sie begegnen sich dafür im Call & Response-Modus und ergänzen sich in ihrer unterschiedlichen Stimmfarbe wirkungsvoll.
"Lost Again" läuft zuversichtlich und optimistisch ab. Wie beim sprichwörtlichen Pfeifen im Walde werden hier die trüben Gedanken durch muntere Klänge vertrieben. Musikalisch kann man von einer Fake-Swing-Imitation sprechen, bei der vor dem geistigen Auge das Rat-Pack um Frank Sinatra, Sammy Davis jr. und Dean Martin erscheint, nur eben in einer aktuellen Variante. "Break Away" nutzt danach die Methoden des Philly-Soul, um dessen unverbindliche Vergnüglichkeit als Kompensation für die grundsätzlich ernste Gemütslage einzusetzen.
"Kids" ist ein beliebter Titel für einen Song geworden. So wurde er z.B. 2007 von MGMT und 2020 von Young Gun Silver Fox verwendet. Hier entstand er in Zusammenarbeit zwischen Tim Berkestijn und dem Rapper KYLE aus Los Angeles, der die zweite Sing-Stimme bei diesem, mit dem HipHop verwandten Pop-Song übernimmt. Das Lied "Run Right Back" federt so jazzig-gepflegt, dass es sich wie ein Outtake des Wunderwerks "Gaucho" (1980) von Steely Dan anhört. Das ist cool und clever umgesetzt und nachempfunden worden! Die Chorstimmen von Emily King und Peter Cottontale von The Free Nationals aus Los Angeles erzeugen dann für "Miracles" ein erbauliches und gleichzeitig schwungvolles Gospel-Feeling. Dadurch bekommt das Stück Kraft, Sicherheit und Vertrauen verliehen.
„Wenn die Sache Dir zu nahe geht, wenn Dein Herz in Schutt und Asche liegt, ist da immer noch, immer noch die Musik“. Davon wusste schon Niels Frevert auf seinem Album "Putzlicht" (2019) zu berichten. Genau dieselbe Ansicht vertritt auch Benny Sings mit dem mild groovenden Soft-Rock-Track "Music" und eigentlich gilt diese Einschätzung für das ganze Album: „Es passiert so leicht in der heutigen Welt, dass man mit zu vielen Reizen überschüttet wird“. „Wir brauchen Licht und Luft… wir brauchen etwas, das uns Energie gibt.“ „Ich werde für immer fasziniert sein von dieser magischen Kraft der Musik: Wie da etwas entstehen kann, das einfach so alles transzendiert.“ So lässt sich Tim Berkestijn zum Konzept seiner aktuellen Platte zitieren.
Benny Sings ist mit seiner Pop-Musik auf der Höhe der Zeit, verleugnet aber auch nicht die Segnungen der Vergangenheit. Die Klänge suchen das Harmoniezentrum des Gehirns auf, streicheln auf diese Weise die Seele und sorgen durch ihre reichhaltigen, gefühlvollen, intelligenten und professionellen Arrangements für eine angenehme Atmosphäre. Das ist populäre Musik, die im engeren Sinne unterhaltsam ist, dabei aber auch anspruchsvoll erscheinen möchte. Das gelingt nahezu auf ganzer Linie und somit sei diese Platte allen Menschen empfohlen, für die auch eingängige Musik gewisse Qualitätskriterien erfüllen muss und nicht nur bloße Berieselung bedeutet.