Überambitioniertes Beweisstück falscher Selbsteinschätzung
„Lose a Life (Nano Opera)“: so heißt also das 2011er Album der Familie, die als Beggars Opera firmiert.
Aha! Noch 'ne Rock-Oper. Diesmal nicht von Pete Townshend, sondern von Ricky Gardiner. Dem Urmitglied dieser 1969 gegründeten Progressive Rockband. Die Story ist eine wahre Geschichte. Ricky Gardiner leidet seit den 80er Jahren unter einer elektrischen Überempfindlichkeit. Er reagiert auf elektrischen Signale und Impulse von Handys und Handymasten, aber auch von PCs und Radios. Zudem kann er nicht in modernen Autos fahren und kein Flugzeug besteigen. Eine Heilung ist aussichtslos. Niemand will und wird wegen ihm – und einiger anderer Sensibelchen – auf sein Smartphone oder das Autofahren verzichten. Zurück in die Steinzeit? Nie und nimmer.
Deshalb ist es Ricky Gardiner ein besonderes Anliegen, die elektrischen Ströme und ihre Auswirkungen ins Gewissen der Menschen zurückzurufen.
Er tut dies mit schwerem, düsterem Sound. Postrockig; mit flächigen Synthesizern. Klänge, die auch alte Progfans nachvollziehen können. Wäre da nicht der Gesang seiner Frau Virginia. Ich weiß nicht. Ich tu mir mit ihrer Art zu singen richtig schwer. Ihr Gesang ist so – unmelodiös. Wie schon auf „Close to my Heart“ erinnert sie mich teilweise an Björk, teilweise an eine Mischung aus Tarja Turunen (ehemals Nightwish) und Candice Night von Blackmore's Night. Ja, irgendwie so, nur in schlecht.
Es ist das ewige Übel mit den Rock-Ehefrauen. Die Misere begann einst bei den Beatles mit Yoko Ono und wurde von Paul McCartney und seiner Frau Linda bei den Wings weitergeführt. Es führte dereinst zum Zerwürfnis der Supertramp-Musiker, ging über die bereits erwähnte Candice Night und führt mich jetzt zu Virginia Scott. Nur weil jemand einen herausragenden Musiker heiratet, qualifiziert dies doch niemanden selbst als Musiker. Im Falle von Misses Scott: Sängerin. Oder doch? Denn spielen kann sie ja.
Warum versuchen Ehefrauen es nicht einfach mit einer eigenen Band? Hä? Ach so! Weil sie dann a) keinen Erfolg haben und b) keine Kontrolle über ihren Mann. Nun gut, über mich habt niemand Kontrolle. Deshalb schwinge ich jetzt mein Schwert: „Lose a life“ ist eine gute Idee und hat gute Ansätze. Vor allem Ricky Gardiners Gitarre schwebt endlich wieder angenehm über allem. Doch es fehlen die bleibenden Melodien. Die 6 Titel bewegen sich ausnahmslos im Balladen- und Midtempobereich. Einzig Dr. Carlo zeigt – ebenfalls eine Ballade – in die richtige Richtung. Wenn Rocky Gardiner sich jetzt noch mit seinem alten Kollegen Martin Griffith verstehen würde, seiner Frau das Mikro entreißen würde und eventuell Marshall Erskine zurückholen würde, dann hätte auch „Lose a Life“ eine würdige Platzierung im Ouevre der Band einnehmen können. So bleibt am Ende nur die Feststellung, das „Lose a Life“ besser ist als „Close to My Heart“, aber das ist auch keine große Kunst. „Lose a Life“ bleibt ein überambitioniertes Beweisstück falscher Selbsteinschätzung.