"Mellow Moon" führte Alfie Templeman aus der Krise hinaus und ins freudvolle Leben hinein.
Die Jahre 2020 und 2021 waren für viele Menschen einfach nur schrecklich. So auch für Alfie Templeman, der Anfang 2020 mit der Arbeit zu seinem ersten Album begann, aber wegen einer seit seiner Kindheit bestehenden Atemerkrankung, aufgrund der er als Covid19-Risikopatient galt, in relativer Isolation lebte. Das führte zu Depressionen und Ängsten, die er mit Antidepressiva zu bekämpfen versuchte.
Keine guten Voraussetzungen für einen geplanten kreativen Prozess. Aber es kam anders: "Das Schreiben von Songs wie "Take Some Time Away" und "Mellow Moon" war wie eine Therapie. Ich habe mich gefragt: "Was stimmt nicht mit mir?" und "Wie kann ich mich bessern?". Ich habe die Dinge einfach in Echtzeit herausgefunden. Ich hatte eine Therapie, aber es gab immer noch Dinge, die in meinem Kopf ungelöst waren. Also wandte ich mich der Musik zu, um Antworten zu finden", erklärt Alfie Templeman das Resultat aus dieser offensiven Vorgehensweise, das als "Mellow Moon" mit 14 Songs am 27. Mai 2022 das Licht der Welt erblickt.
Es zeigt den Frühreifen - der schon im Alter von 15 Jahren mit der Veröffentlichung von EPs und Mini-Alben seine musikalische Laufbahn begann - in einer Form, die sich für ihn anfühlt, als sei er auf einem anderen Planeten und entdecke das Feuer das erste Mal. Die ausgelöste Zuversicht und die daraus resultierende neu gewonnene Lebensfreude spiegeln sich dann auch in einigen Songs konzentriert wider.
Und los geht es mit "A Western". Der Song macht sofort klar, wo die Schwerpunkte des Alfie Templeman-Sounds liegen: Unbeschwerte Pop-Grooves, Ohrwurm-Refrains und locker-süffige Melodien. Damit steht Alfie in direkter Konkurrenz zu solchen Künstlern wie Mayer Hawthorne, Benny Sings, Joel Sarakula oder Young Gun Silver Fox. Auch der überschwängliche New Wave-Pop von ABC ("The Look Of Love", 1982) kann als Referenz ausgemacht werden. Ein straffer, federnder Smooth-Funk-Rhythmus ist bei "A Western" der Türöffner zu einer sorglosen, entspannten Welt mit gutgelaunten Menschen und jeder Menge Spaß. Die elektronischen Gimmicks bringen Future- und Club-Sounds zusammen und der Harmonie- und Lead-Gesang wirkt beschwichtigend und ausgleichend. Ein lässiger Opener, der sofort Lust auf mehr macht.
Das mit Minimal-Art-Loops ausgestattete "You're A Liar" versteht es, durch geschickte Hook-Lines und Tempi-Wechsel eine farbig-entschlossene Dynamik zu erzeugen, während der elegante, flirrende, romantisch eingefärbte Adult-Pop "Broken" schwärmerisch und schnörkellos daherkommt. Er taugt sowohl zur Ablenkung bei der Hausarbeit wie auch in Situationen, wo grade an die nicht verfügbare Liebe gedacht wird.
"Folding Mountains" hat den hakelig-intelligenten New Wave-Rhythmus solcher Bands wie Talking Heads oder der späten, Gothik-freien The Cure gepachtet, der als Verpackung für diesen im Grunde schlichten Pop-Song dient. Die Mischung zwischen einfachen und sperrigen Strukturen macht hier den Reiz aus.
Durch den von einer elektrischen Gitarre angetriebene Disco-Sound und die Effekte, die dem modernen Dance-Pop entliehen sind, können sich wahrscheinlich Fans der 1970er Jahre Combo Chic um Nile Rodgers genauso wie Verehrer von populären DJs wie David Guetta auf den Track "3D Feelings" einigen. Allerdings wirkt die üppig verbreitete gute Laune und die arglose Unbekümmertheit etwas übertrieben und aufgesetzt. Wer mit Krampf für Fröhlichkeit sorgen möchte, scheitert meistens an den eigenen Erwartungen.
Spielte leichtgewichtiger Dance-Pop bei "3D Feelings" nur eine Nebenrolle, so ist er bei "Candyfloss" die Haupteinflussgröße, was den Song fade und austauschbar erscheinen lässt. Es fehlen belebende Ecken und Kanten sowie clevere Schachzüge hinsichtlich der Arrangements. Die Berücksichtigung solcher Reibe- und Aufmerksamkeitspunkte klappte bisher oft besser und sorgte für ein hohes Niveau. Warum wird denn überhaupt eine Verwässerung zugelassen, wenn kompositorisch schon vielversprechendere Wege eingeschlagen wurden?
Mit "Best Feeling" ist Templeman wieder in der Spur, die ihn als wirkungsvollen Smooth-Soul-Crooner mit Hang zum Power-Pop zeigt. Ganz im Zeichen seines Vorbildes Todd Rundgren. Beim flotten "Do It" schlägt das Pendel noch weiter in Richtung Power-Pop aus, was zu einer unbekümmerten, glückseligen Teenager-Hymne geführt hat.
"Colour Me Blue" klingt knackig und jugendlich ungestüm, wie frisch verliebt. Bei soviel Hochgefühl kann schon mal die Komplexität und der Tiefgang auf der Strecke bleiben, ohne dass dabei jedoch der Spaß leiden muss. Ein strammer, verschleppter Beat und eine psychedelische Gitarre bestimmen und kennzeichnen den Ablauf von "Galaxy". Das Stück ist eigentlich auf dem Tanzboden zuhause, greift aber auch nach den Sternen.
Die Gitarrenarbeit bei "Leaving Today" lässt an den Soft-Rock-Schwung der Doobie Brothers ("Listen To The Music") denken. Die darunter liegende Melancholie schluckt einiges von der optimistischen Zuversicht, so dass von der ehrlich empfundenen Hoffnung letztlich doch nur Zweckoptimismus bleibt.
Für "Take Some Time Away" präsentiert Templeman seine Stimme weiblich-lieblich und erotisch durchflutet. Das dazu angelegte musikalische Umfeld bietet Thriller-Jazz-, Cabaret- und Morricone-Western-Soundtrack-Atmosphäre. Das ist sehr gediegen und geschmackvoll.
Im Kern bleibt der Song "Mellow Moon" entspannt und verträumt, lässt die Lebensfreude aber auch eine gewichtige Rolle bei der Rhythmik spielen. Sensibel, fragil, dunkel, sanftmütig und beinahe bewusstseinserweiternd perlen die Töne bei "Just Below The Above" aus den Lautsprechern. Sie bezaubern unter anderem alle diejenigen, die sich auch an den Beatles der "Magical Mystery Tour"-Phase berauschen können.
14 Tracks, jeder in der klassischen Pop-Song-Länge von bis zu drei 3 Minuten und 45 Minuten und es folgt beinahe Hit auf Hit. Das sind die Fakten, die "Mellow Moon" innerhalb des Musik-Spektrums einordnen. Darunter ist schon sehr vieles, das richtungsweisend, frisch und ansprechend ist. "All meine Gefühle sind Explosionen in Stereo, ich fühle sie nicht nur, ich wandle sie in Audio um", singt Templeman in "3D Feelings" und drückt damit nicht nur seine Liebe zur Musik aus, sondern gibt auch ein Versprechen auf absolute Glaubwürdigkeit ab.
Der 19jährige Musiker hat sich auf "Mellow Moon" sowohl der anspruchsvollen, wie auch der eingängigen Seite der Pop-Musik verschrieben. Bei einem Fokus auf komplex-geschmeidige Reibepunkte, die sich zwischen diesen Polen befinden, ist das nächste Werk vielleicht schon ein Anwärter auf einen herausragenden, kultiviert-beglückenden Adult-Pop-Geheimtipp.