Flexible Roots-Music-Klänge von einem Amerikaner, der in Norwegen lebt.
Die Lebensumstände in den USA und in Norwegen sind für viele musikalische und persönliche Inspirationen, die Adam Douglas geprägt haben, verantwortlich. Der 40jährige Singer-Songwriter verbrachte nämlich seine Jugend in Oklahoma, das im mittleren Westen liegt und lebt seit 2007 (hauptsächlich der Liebe wegen) in Harestua, das 46 Kilometer nördlich von Oslo zu finden ist. Zwischen diesen Stationen war er viel unterwegs, mit Haltepunkten in Chicago und Minneapolis. Einige Roots-Music-Spielarten kreuzten dabei seinen Weg: Folk, Country, Rhythm & Blues, Soul oder Gospel. Natürlich auch Rock & Roll und Jazz. In Norwegen fühlt er sich wohl und zuhause, hier ist sein beständiger Lebensmittelpunkt. Künstlerisch hat ihn die Zugehörigkeit zu zwei Ländern zu einem relativ unkonventionellen Grenzgänger reifen lassen. Seine Songs lassen sich nämlich keinem Stil direkt zuordnen, sie entstehen vielmehr aus den oben skizzierten Vorlieben, ergeben sich aus den erworbenen Erfahrungen und schöpfen aus den geschärften Instinkten für einen interessanten Klang und eine gute Melodie. Alle diese Zutaten werden für die Kompositionen zusammen geschüttet, umgerührt, verkostet und individuell verkettet.
"Better Angels" ist nun nach "I May Never Learn" (2015) und "The Beauty & The Brawn" (2018) der dritte Longplayer des vielseitigen Musikers. Beim Eröffnungs-Track "Joyous We’ll Be" findet die Begeisterung des Gospel, die rhythmische Frische der Karibik, die respektvolle Seriosität des Big-Band-Jazz und die flirrende Grazie des von Lowell George geprägten Little Feat-Sounds ihren Widerhall.
Der schlaksige Jazz-Funk von "Into My Life" bekommt durch den gelenkigen Soul-Gesang von Adam Douglas und die verspielten Geigen, die sich wie gewandt fliegende Schwalben in der Abendsonne bewegen, ein samtenes Gegengewicht. Der Groove wird für "Build A Fire" knackig und zackig herausgestellt. Die Bläser fallen mit feurigen Attacken in den federnd-swingenden Sound ein, so dass das Lied dadurch an Schärfe, Konturen und Kraft gewinnt. Der Gesang wirkt sehnsüchtig und bringt sexuelle Aufladung ins Spiel. Mit einem saftigen E-Gitarren-Solo zeigt Adam seine individuelle Klasse auf diesem Instrument. Außerdem tritt dabei eine wilde, natürlich aggressive Seite zu Tage, die ihm sehr gut steht und die er noch ausbauen sollte. Der dynamische Sound fährt in die Glieder und setzt sich in den Ohren fest. Das ist ein heimlicher Hit!
Mit "So Naive" wird die erste Pop-Ballade eingestreut. Mr. Douglas bewegt sich als Schnulzensänger auf dem schmalen Grad zwischen Kitsch und Kunst, kann sich aber aufgrund des ausgereiften Song-Materials souverän behaupten. Auch "Change My Mind" schwelgt in innig-romantischen Gefühlswelten, rührt in sentimentalen Momenten zu Tränen und kann sich mit den bekanntesten Rock-Balladen hinsichtlich schmachtender Hingebung messen. Der Track wurde durch die Zustände im vom Krieg gezeichneten und vom Flüchtlingselend gebeutelten Beirut beeinflusst. Das dazugehörige Video sendet bei allem zu vermutenden Leid auch viel Lebensfreude und Zuversicht aus, weswegen es wie ein vorbildliches, Mut spendendes Mahnmal erstrahlt.
Das erfrischende "Where I Wanna Be" verbindet unverbraucht und homogen Elemente aus Pop, Rock, Jazz, Funk und Soul. Als Gesangspartnerin fungiert hier die großartige Jazz-Pop-Musikerin Beady Belle, die sich ausgezeichnet in das luftig-belebende Klang-Bild einfügt. Das schwüle, bluesige "Blue White Lie" scheint aus den Südstaaten der USA zu stammen, so erdig und vom Southern Soul durchdrungen kommt es aus den Lautsprechern. Aber das Stück ist genau wie die anderen Aufnahmen im hohen Norden Norwegens entstanden. Adam Douglas kann seine US-amerikanischen Wurzeln jedoch wieder einmal nicht verleugnen. Mit Würde und erhobenem Kopf knüpft er an die Roots-Rock-Errungenschaften solcher Kollegen wie John Hiatt an und präsentiert sich als erlesener White-Soul-Interpret.
T. Rex, ZZ Top, die Neville Brothers und Tony Joe White haben ihre Spuren beim Glam-Funk-Boogie "A Whistle To Blow" hinterlassen. Das ausgeprägte Pop-Geschichtsbewusstsein von Adam Douglas lässt ihn solch wertige Einflüsse anzapfen, ohne als Plagiator dazustehen. Gegen diese Vorgehensweise ist gar nichts einzuwenden, denn Adam ist ein Sammler. Ein Sammler von Eindrücken, Ausdrücken, Gefühlsäußerungen, Zitaten und Sounds, die ins kollektive Bewusstsein gelangt sind. So gibt es bei "Both Ways" Streiflichter, die Klänge aus der British Invasion der mittleren 1960er Jahre aufflackern lassen und auf diese Weise an The Kinks oder The Rolling Stones erinnern. Und das, obwohl das Lied eher ein melodischer Pop-Song und kein harter Rocker ist. Das spricht für einen universellen Überblick und unverkrampften Umgang mit Vorlagen. Adam Douglas knüpft mit seinem Fingerspitzengefühl einen illustren Klangteppich aus Erinnerungen und Vorlieben, der sich Kategorisierungen entziehen möchte. Ist übrigens ein feiner, griffiger, sympathischer, angenehm anzuhörender Song geworden, dieses "Both Ways".
Al Green und Graham Parker & The Rumour kommen in den Sinn, wenn "Just A Friend" läuft. Der weiche Rhythm & Blues wird von beseeltem Gesang flankiert und führt den Hörer fast unmerklich von einer nachdenklichen Stimmung zu einer aufbauenden, aufbegehrenden und lichtdurchfluteten Sichtweise. "Lucky Charm" lässt sich dann noch einmal tief ins Herz blicken und beschwört die Kraft der sinnlich-sanften Töne herauf, wobei der Bogen zur süßlich-sentimentalen Betonung überspannt wird. Weniger Schmalz hätte wahrscheinlich für mehr Authentizität gesorgt. "Dying Breed" macht dann auf gute Laune und versucht, durch einen swingenden Folk-Rock einen optimistischen Ausgleich und Ausklang zu schaffen. Das ist nicht zielführend, weil Adam Douglas eher als melancholisch veranlagter Singer-Songwriter überzeugend ist.
Das Album "Better Angels" beschwört die Werte der US-amerikanischen Verfassung herauf, die Abraham Lincoln in seiner Antrittsrede verkündet hatte. Er wollte den Instinkt der vernünftigen, anständigen Menschen als Leitlinie ansetzen, wenn es Konflikte zu bewältigen gibt. Diese Maxime ist heute aktueller denn je, denn auch Präsident Joe Biden gab zu bedenken, dass es an der Zeit sei, die "besseren Engel" im amerikanischen Volk zu Wort kommen zu lassen. Optimismus, Vernunft und Menschlichkeit sind Grundwerte, die auch über die Musik von Adam Douglas transportiert werden sollen - zum Nutzen für alle Menschen.
Künstler wie Adam Douglas fallen oft durchs Wahrnehmungsraster, weil sie häufig spontan mit anderen Musikern verglichen und dann vorschnell als mögliche Nachahmer gebrandmarkt werden. So könnten z.B. Paul Weller oder Elvis Costello als Verweis einfallen, aber das schmälert die dargebrachte Leistung des Exil-Amerikaners in keiner Weise. Was ihn auszeichnet, ist die Suche nach musikalischen Herausforderungen, an denen er wachsen möchte. Er besitzt nämlich den Ehrgeiz, sich ständig verbessern zu wollen. Grade hat er auch seine Flexibilität demonstriert, als er bei seiner Pop-Kollegin Rikke Normann bei "Don`t You Worry" von "The Art Of Letting Go" (veröffentlicht am 19. März 2021) im Duett gesungen hat.
Der privat schüchterne, aber auf der Bühne ausgelassene Musiker hat seine speziellen Eigenarten dazu verwendet, eine reife Midlife-Analyse abzuliefern. Seine Stil-Fusionen sind ausgewogen, klingen zumeist tröstend oder hoffnungsvoll und werden von seinen norwegischen Begleitmusikern und Gästen wie Jeff Wassermann und Cory Chisel vollmundig, voluminös und emotional tiefgründig umgesetzt. Der Gesang ist so flexibel, dass er sich bei niemandem anlehnen muss und die Songs sind so ideenreich, dass sie sich nicht gegenüber anderen großartigen Liedern verstecken müssen. "Better Angels" ist ein schönes, clever organisiertes Werk geworden, das allen Leuten, die Interesse an undogmatischer Roots-Music haben, empfohlen werden kann.