Westernhagen: Zwischen den Zeilen (eine Biographie) auf 3 DVDs

Ich glaube wir sind uns alle in einem einig: Marius Müller-Westernhagen hat wesentlich zur Identitätsfindung der deutschen Popkultur beigetragen. Auch als Schauspieler (so lange er diesen Beruf ausübte) aber vor allem als Musiker mit einer Karriere, die mittlerweile ins fünfte Jahrzehnt geht. Als wir vor mehr als drei Jahren an diesem Projekt zu arbeiten begannen, galt es zuerst eine Aufstellung möglichen Archivmaterials zu machen und die Fülle hat uns überrascht und ermutigt: Schon in den frühen Fünfzigern haben die Eltern von Marius Müller-Westernhagen das Familienleben mit Schmalfilmkamera festgehalten (damals keine Selbstverständlichkeit), zudem haben wir das Glück, dass es schon von den semi-professionellen Anfängen in Düsseldorf mit seiner Band Harakiri Whooom Bildmaterial gibt. Dazu kommt die große Zahl seiner Arbeiten als Filmschauspieler und natürlich seine filmisch sehr gut dokumentierte Karriere als Musiker. Aus der Perspektive des Filmemachers gibt es selten eine so ideale Situation wie hier, nämlich auf Archivbilder zugreifen zu können, die das gesamte Leben einer Person illustrieren. Für mich zählt Marius Müller-Westernhagen zu jenen deutschen Rockmusikern, die als Wegbereiter aus dem angloamerikanischen - sprich englischsprachigen - Phänomen der Popmusik eine eigenständige deutsche Variante gemacht haben. Und er hat es verstanden, mit seinen Liedern wiederholt den Zeitgeist zu treffen, mit seinen Texten den Menschen aus der Seele zu sprechen. Für den Versuch dieses filmischen Portraits sind wir gemeinsam nach England und Amerika gefahren und es war spannend, Marius Müller-Westernhagen in New York im Studio zu beobachten ebenso wie Backstage bei Produktionsvorbereitungen und nicht zuletzt auch den privaten Marius Müller-Westernhagen zuhause zu erleben. Dieser Film soll für alle, die wie ich diese Jahrzehnte erlebt haben, eine reich illustrierte Zeitreise sein, für Jüngere ist es hoffentlich ein Fenster zu einem interessanten Kapitel deutscher Popgeschichte, das durch diesen Film verständlicher wird. Darüber hinaus hoffe ich, dass der Film anhand der Lebensgeschichte eines Einzelnen auch allgemein Gültiges über die sozialen Verhältnisse, die gesellschaftlichen Stimmungen, Moden und den Zeitgeist der verschiedenen Jahrzehnte transparent machen kann. Heute agiert Marius Müller-Westernhagen mit großer Gelassenheit und es ist schön ihn zum Beispiel in New York im Studio mit Musikern wie Larry Campbell zu sehen, und die Selbstverständlichkeit zu erleben mit der diese Leute miteinander umgehen. Hier schließt sich ein Kreis: amerikanische Rockmusik kam nach Deutschland, wurde zu Eigenem gemacht und findet im musikalischen Dialog auch den Weg ins Ursprungsland. Auf der Bühne kommt Marius Müller-Westernhagen ohnehin dem angloamerikanischen Prototyp eines Rockstars nahe, jener faszinierenden Mischung aus Attitüde und Rotzigkeit, aus Straße und Abgehobenheit. Sein hohes Gespür für Dramaturgie, welches er wohl durch seine schauspielerische Arbeit entwickelt hat, versteht er für die Gestaltung seiner Shows zu nützen: Marius Müller-Westernhagen „baut“ seine Abende, bewusst oder unbewusst, in einer sehr gelungenen Abwechslung von Rocksongs und Balladen, von Party und Emotion und diese griffig verzahnten Abschnitte begeistern und berühren sein Publikum und machen seine Konzerte zu intensiven Erlebnissen. Marius selbst danke ich sehr herzlich für seine Bereitschaft, sich dem Versuch so eines Porträts zu stellen und dem Projekt auch den erforderlichen Raum zu gewähren. Zwischen den Zeilen lässt sich erkennen: Hier ist jemand einen sehr weiten Weg gekommen...Hannes Rossacher - Regisseur.