Running Wild: Shadowmaker (CD + DVD)

Es ist beileibe keine Binsenweisheit, dass man mitunter zunächst einen Schritt zurücktreten muss, um sich anschließend weiterentwickeln zu können. Außerdem sind kreative Pausen und schöpferische Auszeiten speziell in der Musik zwingend notwendig, um sich nicht künstlerisch im Kreis zu drehen oder aber den notwendigen Enthusiasmus zu verlieren. Rock´n`Rolf Kasparek, Sänger, Gitarrist und Chef der deutschen Metal-Galeere Running Wild, kann diese Erfahrung nur bestätigen. Er sagt: „Ohne die Pause nach Rogues En Vogue und ohne den Umweg über andere Projekte hätte ich nicht wieder auf den Weg zu Running Wild zurückgefunden. Es hatte sich eine Routine eingeschlichen, die mir nicht mehr gefiel. Ich musste Running Wild beenden, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Nur so war es möglich, ein derart lockeres und spielfreudiges Album wie Shadowmaker zu schreiben.“!

Die Erfolgsparameter des neuen Albums sind dabei ebenso simpel wie erstaunlich. Kasparek komponierte die Stücke in bewusst möglichst kurzer Zeit, um Spontaneität und Frische zu gewährleisten. „Manchmal waren es gerade mal zehn Minuten, fast nie mehr als eine halbe Stunde, in der ich komponierte. Sogar eine komplexere Nummer wie ´Dracula`, für die ich mir eigentlich deutlich mehr Zeit nehmen wollte, um dem Thema musikalisch und textlich gerecht zu werden, schrieb ich in gerade mal zwei Stunden. Daran erkennt man bereits, wie viel Spielfreude und Ideenreichtum bei mir zurückgekehrt sind. Die Lockerheit ist plötzlich wieder da, und das Ergebnis ist meines Erachtens eines der besten Alben, die ich bisher geschrieben habe.“

Diesem Urteil kann man sich bei näherer Betrachtungsweise anschließen: Running Wild kombinieren auf Shadowmaker typische Stilmittel mit neuen Elementen und logischen Weiterentwicklungen. Ums konkret zu benennen: ´Riding On The Tide` und ´Sailing Fire` haben die typisch keltischen Elemente und das entsprechende Piratenthema früherer Running Wild-Klassiker. Demgegenüber steht die thematisch zusammenhängende Trilogie aus ´Black Shadow`, ´Shadowmaker` und ´Into The Black`, in denen sich Kasparek mit dem (besorgniserregenden) Zustand der Welt auseinandersetzt, während als Kontrapunkt hierzu in ´Peace Of The Action` ein lockeres Party-Feeling regiert. Programmatisch zusammengefasst wird Kaspareks aktuelles Selbstverständnis im autobiographischen ´I Am Who I Am`: „Dieser Song repräsentiert meine Lebensphilosophie. Man könnte sie mit dem klassischen Luther-Zitat ´Hier stehe ich, ich kann nicht anders` zusammenfassen. Ich weiß, dass ich mit meiner geradlinigen Art mitunter anecke, aber – wie der Titel so treffend formuliert – ich bin nun einmal so wie ich bin.“

Allerdings hat auch Kasparek aus der Vergangenheit gelernt: Er stellte ein kompetentes Produktionsteam zusammen, um sich noch intensiver als bislang auf seine Rolle als Komponist und Produzent konzentrieren zu können. Involviert in die Aufnahmen zu Shadowmaker waren Niki und Katharina Nowy sowie Kaspareks langjähriger Kumpel Peter Jordan. „Sie alle drei halfen dabei, dass ich parallel an mehreren Songs arbeiten konnte. Auf Rogues On Vogue war ich ja gleichzeitig Produzent und Toningenieur, diesmal wurden mir zeitraubende Aufgaben abgenommen, wodurch ich mich um viele wichtige Dinge besser kümmern konnte. Die Gitarren habe ich beispielsweise Dank einer lärmabsorbierenden Grossmann-Isolationsbox komplett mit einem Röhrenverstärker bei mir Zuhause aufnehmen können, wodurch ein eigener, sehr geiler Sound entstanden ist. Und auch gesanglich haben wir zugelegt, Chöre wie die auf Shadowmaker gab es bei Running Wild in dieser Form bislang noch nie.“

Man spürt bereits: Running Wild sind zurück und so vital wie seit langem nicht mehr. Und sogar das Statement zu der in diesem Zusammenhang brennendsten Frage – wird die Band wieder auf die Bühne gehen? – lässt Raum für Hoffnung: „Ich werde dieses Thema auf mich zukommen lassen und erst einmal abwarten, wie die Reaktionen auf Shadowmaker sind“, sagt Kasparek, betont aber, dass es in 2012 keine Shows geben wird. Doch wer weiß? Mit einem neuen Studioalbum hatte Käpt´n Rolf vor kurzem ja auch noch nicht gerechnet...

(spv. de)