Renn, Jo Jo, renn, renn, renn … ein Meilenstein
Nach ihrem wohl kreativsten Album „12 Dreams of Doctor Sardonicus“ (1970) spalteten sich die legendären Spirit in zwei Zweige: Während Schlagzeuger Ed Cassidy unter dem Namen Spirit weitertrommelte und zunächst mit Keyboarder John Locke das Album „Feedback“ (1972) einspielte und später mit Gitarrist Randy California im Rockpalast das breite Fernsehpublikum in Deutschland mit bluesorientiertem Mainstream-Rock erfreuen sollte, gründeten Sänger Jay Ferguson und Bassist Mark Andes zusammen mit dessen Bruder Matthew Andes (Gitarre) und Curly Smith (Drums) den Ableger Jo Jo Gunne.
Und deren Debütalbum „Jo Jo Gunne“ (1972) lässt sich, zumal das vom Country-Rock beeinflusste „Feedback“ von der Kritik eher zurückhaltend aufgenommen wurde, als der eigentliche künstlerische Nachfolger von „Dr. Sardonicus“ betrachten. Die dynamische Spielfreude und die musikalischen Ideen aus den zwölf Träumen werden kompromisslos weiterentwickelt, wobei der psychedelische Flair der Spirit abgeschliffen wird und einem soliden Rock mit eigenständigem Sound weicht.
Schon das erste Stück „Run Run Run“ überzeugt mit seinen schnellen Rhythmen, seiner eingängigen Melodie und seinem sauber gesetzten mehrstimmigen Gesang, wurde ein Riesenhit und brachte Jo Jo Gunne auf die Liste der One Hit Wonders. Die Band schafft es, den energischen Drive dieses Songs über weite Strecken des Albums beizubehalten. Nach dem rockigen „Shake That Fat“ und dem melodisch-rhythmischen „Babylon“ wird erst im vierten Track, einer kurzen Ballade, eine Atempause gegönnt, bevor es mit „Barstow Blue Eyes“ wieder heftiger zur Sache geht. Die zweite Hälfte des Albums enthält weitere musikalische Höhepunkte wie etwa Fergusons stampfendes Klavierriff in „Academy Award“.
Obwohl die Band in „99 Days“ schon das harte Leben auf der Straße und im Flugzeug während der langen schlauchenden Tourneen zur Sprache bringt, produzierte sie während der folgenden beiden Jahre in leicht veränderten Besetzungen noch weitere drei Alben, woraufhin der kreative Kopf der Band, Jay Ferguson, eine Handvoll Soloalben und mehrere Soundtracks folgen ließ. 2005 veröffentlichten Jo Jo Gunne noch die Reunion-CD „Big Chain“ mit überwiegend Neueinspielungen ihrer alten Songs, die aber mit dem eigenständigen klaren Sound der Originalaufnahmen nicht mithalten können.
Den ganz großen Durchbruch haben Jo Jo Gunne somit nicht geschafft. Den weltweiten Erfolg heimsten stattdessen die viel traditionelleren Eagles ein, die ungefähr zur gleichen Zeit ihre Karriere beim selben Label Asylum begannen. Das Album „Jo Jo Gunne“ ist allerdings ein Meisterwerk, wenn nicht sogar ein Meilenstein in der Geschichte der amerikanischen Rockmusik, für das in jedem Plattenregal ein Plätzchen frei sein sollte.