Emmylou Harris: Songbird - Rare Tracks & Forgotten Gems (4CD + DVD)

Ob an der Seite von Mark Knopfler, mit dem sie zuletzt auf der Tour für das gemeinsame Hit-Album „All The Roadrunning“ auch live in Deutschland gastierte, oder gemeinsam mit John Starling, dem alten Weggefährten aus den Folk-Club-Tagen, bei einem Songwriter-Workshop in kleiner Runde, vor großem Publikum mit elektrisch verstärkten Ensembles wie ihrer legendären Hot Band, die kristallklar leuchtende Stimme von Emmylou Harris sticht immer heraus. Sie selbst hat jetzt die musikalische Reise dieser Stimme noch einmal unter die Lupe genommen. Das Ergebnis trägt den angemessenen Titel „Songbird: Rare Tracks And Forgotten Gems“. Jenseits der üblichen Standards und großen Hits ist der 12-fachen Grammy-Gewinnerin mit den 78 Tracks, darunter bisher unveröffentlichte Live-Aufnahmen, Studio-Outtakes und Demos, eine ebenso persönliche wie repräsentative Retrospektive gelungen.

Es geht gleich mit einem bisher unveröffentlichten Outtake los: „Clocks“ stammt aus den Sessions zu Harris’ Solo-Debüt „Gliding Bird“ aus dem Jahre 1969 und bereitet hier den Boden für zwei Duette mit ihrem frühen Mentor Gram Parsons. Danach streift Emmylou Harris durch ihre Alben aus den 70er- und frühen 80er-Jahren, mit denen sie die Barrieren zwischen Country und Rock’n Roll aufhob, nicht zuletzt durch ein ebenso mutiges wie stimmiges Repertoire. Stellvertretend sind hier Dolly Parton’s „Coat Of Many Colors“ als auch „For No One“ von den Beatles zu hören. Springsteen überzeugend zu covern, zumal ein Schlüsselstück seines frühen / mittleren Oeuvres, das schaffen nur wenige. Emmylou Harris schon, mit ihrer wundervollen Interpretation von „Racing In The Streets“. Und auch ihr Talent als Duett-Partnerin kommt hier nicht zu kurz, wenn sie mit Willie Nelson, Dr. John und Waylon Jennings gleich drei große Individualisten vors Mikro bittet.

John Travolta, der auf einem mechanischen Bullen seinem Mädchen imponieren will – das war der „Urban Cowboy“ und der gleichnamige Film oft leider schon das Einzige, was heute vielen noch zu Country in der ersten Hälfte der 80er einfällt. Umso dringender wurde damals eine authentische Country-Stimme jenseits des großen Pop-Crossover gebraucht - ein Anspruch, den Emmylou Harris mit dem semi-autobiographischen Konzept-Album „The Ballad Of Sally Rose“ wunderbar einlöste. Obendrein brachte es noch ihr Coming-Out als (Co-)Autorin. Weshalb „The Sweetheart Of The Rodeo“ aus eben diesem Album, mit den Gast-Stimmen von Dolly Parton, Linda Ronstadt, Vince Gill und Gail Davies, auch ein trefflicher Auftakt für die zweite CD von „Songbird“ ist. Der bekannte Produzent Daniel Lanois (U2, Bob Dylan, Neville Brothers u. v.m) ging dann 1995 mit ihr ins Studio um Wrecking Ball“ einzuspielen, das u. a. tolle Coverversionen von Lucinda Williams (Sweet Old World) und Anna McGarrigle’s (Goin Back To Harlan) “ enthielt. Mit Spyboy, der Band um den Gitarristen Buddy Miller, spielte sie 1998 kraftvolle Live-Versionen von „Prayer In Open D“ und „All My Tears“ ein.

CD 3 und 4 sind vor allem bisher unveröffentlichtem Material und Outtakes vorbehalten, sowie Songs, die Emmylou Harris für und mit anderen Künstlern oder für Projekte aufgenommen hat, die nicht ihren Namen tragen. Eine echte Perle ist beispielsweise das bisher unveröffentlichte „Palms Of Victory“, das 1978 aufgenommen wurde, als sie, Dolly Parton und Linda Ronstadt als The Queenstown Trio firmierten. Wenn die Drei damals schon ihr „Trio“-Album hätten machen können, wäre dies zweifellos der erste Track geworden. Dazu passt das hymnische „Softly And Tenderly“, ein bisher unveröffentlichter Outtake aus den Sessions zum zweiten „Trio“-Album. „Beyond The Blue“, ein Duett mit Patty Griffin aus dem Soundtrack zu „Where The Heart Is“, eröffnet CD 4, die sie mit „Alone And Forsaken“ (vom Hank Williams-Tribute „Timeless“) und dem von ihr selbst geschriebenen „Love And Happiness“ (vom Album „All The Roadrunning“) auch zwei Mal an der Seite von Mark Knopfler präsentiert. Dazu gibt es u. a. Outtakes aus den Alben „Brand New Dance“ und „Cowgirl’s Prayer“.

Auf der DVD hat Emmylou Harris neun Videos quer durch ihre Karriere versammelt,:„Together Again“ zeigt sie mit ihrer Hot Band um den Gitarristen James Burton im Jahre 1975 – zwei Jahre später greift sein Nachfolger Albert Lee nicht weniger gut in die Saiten für „Making Believe“. Den Rodney Crowell-Klassiker „I Ain’t Living Long Like This“ gibt’s nicht mit der Hot Band, sondern in einer späten Version mit Spyboy. Und den Klassiker „Love Hurts“ singt Emmylou hier nicht mit Gram Parsons, sondern mit Elvis Costello. Wer noch einmal genau wissen will, warum Emmylou Harris bis heute über 15 Millionen Platten verkauft hat kommt an dieser Box nicht vorbei.