Ein seelenvoller, feiner und wirkungsstarker Roman
Ein kleines, feines Buch hat da Julia Mattera geschrieben. Der Roman zog meine Aufmerksamkeit auf sich aufgrund des originellen Titels und des Verlagshinweises auf das Elsass, in dessen Grenznähe ich wohne. All dies und das etwas schlicht gestaltete Cover ließen mich nicht erahnen, mit was für einem seelenvollen Buch man es hier zu tun hat.
Die Geschwister Elsa und Robert Walch führen einen Gasthof im Elsass. Keine einfache Sache, insbesondere für die zupackende, feinfühlige Elsa, denn Robert ist ein sehr, sehr schrulliger Koch, der in seiner eigenen Welt lebt, ein ausgemachter Sturschädel ist und am liebsten die ignoranten Touristen zum Teufel jagen würde. Sein Herz schlägt für seinen prachtvollen Gemüsegarten. Er spricht mit den Pflanzen, er gibt den Möhren Namen, er hegt und pflegt jede einzelne Pflanze, denn diese intensive Zuwendung danken sie ihm durch exzellenten Geschmack. Die Gerichte, die Robert kreiert, ziehen Gäste von überall herbei. Doch Robert liebt die Einsamkeit, schaut nur von ferne zu, wie es den Gästen schmeckt. Eines Tages taucht Maggie auf, eine sehr temperamentvolle Frau aus England, die sich von Roberts abweisendem Verhalten nicht abschrecken lässt und es versteht, vorsichtig und unbekümmert zugleich, den weichen Kern in Roberts Seele zu Tage zu bringen.
Der Zauber dieses Romans liegt im Kleinen, im Feinen, im Stillen. Es geschieht nicht besonders viel, schon gar nicht wirklich Spannendes. Und doch entwickelt man beim Lesen eine ungeahnte Sensibilität, für die Menschen, von denen erzählt wird, aber auch für die Natur, für Beobachtungen, Gerüche, Farben, Geräusche, die die Seiten prall füllen. Ja, Pflanzen haben eine Seele, und ich gelobe, nie wieder gedankenlos eine Möhre aus dem Beet zu rupfen, sondern wie Robert erst einmal über die grüne Haarpracht zu streicheln. Die liebevolle Hingabe von Robert steckt an, besonders wenn man liest, zu welch menschlichen Regungen Gemüsepflanzen fähig sind, wie sie überrascht sein können, aber auch erschreckt oder einverstanden oder wie sie einem ungewöhnlichen Vorschlag „etwas abgewinnen können“. Auch eindrückliche Menschenbeschreibungen gelingen Julia Mattera, wenn etwa von einer Tante berichtet wird, „deren Naturell in etwa einer Brennessel glich“. Es ist die wunderbare Sprache der Autorin, die beim Leser die unabdingbare Achtung, den grenzenlosen Respekt vor der Natur weckt.
Welch eine Kunst, auf so sanfte, poetische, zärtliche und verträumte Weise den Leser aufs Tiefste zu berühren.