Zu hohe Erwartungen
T.M. Frazier war eine der wenigen Autorinnen, die mich vom New Adult-Genre überzeugen konnten. Ihre Geschichten waren frisch, anders, fesselnd, mit einer gewissen Härte, aber doch für ein Kribbeln sorgend.
Und dann kam Wild Hearts: Ja, meine Erwartungen waren ziemlich hoch gesteckt, hatte mich die Autorin doch auch in 8 Büchern nicht einmal enttäuscht. Und die Geschichte zwischen Finn und Sawyer klang doch auch wirklich gut:
Sawyer, aus einer streng gläubigen Familie kommend, mit einem zu übermäßigem Alkoholkonsum neigenden und dabei körperlich werdenden Vater, flieht nach dem Tod der Mutter und landet mit rostigem Auto und Wohnwagen in der trostlosen Gegend Outskirts. Dort begegnet sie ihrem Nachbarn Finn, der nach dem Tod seiner Verlobten den Frauen (bzw jeglichen menschlichen Gesellschaft) abgeschworen hat und seinen Verlust in Alkohol ertränkt und natürlich nicht begeistert reagiert, als er auf seine neue Nachbarin trifft.
Das klingt zwar nach einem typischen Setting, in dem die beiden ihre jeweiligen Probleme gemeinsam aufarbeiten und sich dabei häher kommen, aber der Einstieg in das Buch war wirklich gut geschrieben und versprach Tiefgang und eine nicht nur auf das Körperliche beschränkte Liebesgeschichte.
Aber mehr und mehr verliert sich die Autorin in einer Flut verschiedener Klischees, der Schreibstil wird fahrig. Man hat oft das Gefühl, Details überlesen zu haben, nur um dann beim Zurückblättern festzustellen, dass sie einfach vergessen wurden.
Die Beziehung zwischen Sawyer und Finn bleibt mir lange Zeit einfach zu oberflächlich. Die anfangs angedeuteten Probleme, die vor allem Sawyer eigentlich haben müsste im Umgang mit Männern (da sie ja extrem behütet und als Mensch zweiter Klasse aufgewachsen ist), scheinen, sobald sie den nackten Mann im Nachbargarten entdeckt hat, einfach nicht mehr existent.
Tiefgehende psychische Probleme werden auf Wald- und Wiesen-Doktor-Art" geheilt". Zudem legt Finn eine dermaßen dominante, bestimmende Art an den Tag, mit der ich als emanzipierte Frau nur schwer umgehen kann und an der ich mich immer wieder reibe.
Was mir in der "King"-Reihe noch gefallen hat, wirkt hier vollkommen übertrieben und ab und zu fast schon (ungewollt) komödiantisch.
Positiv aufgefallen sind mir die nach und nach eingeführten Nebenfiguren wie Josh und Miller, aber auch hier driften ihre Handlungen mit der Zeit ins Lächerliche ab.
Wirklich schlimm fand ich dann aber die erotischen Parts: Ohne zu viel verraten zu wollen, wirken sie für mich einfach unrealistisch und übertrieben, bedenkt man, dass die weibliche Hauptfigur vollkommen unerfahren und noch Jungfrau ist. Auch haben sie für mich keinerlei "Vorbildfunktion", wenn von Beginn an auf Verhütung verzichtet wird.
Fazit:
Ich habe wirklich versucht, die schönen Seiten dieses Romans zu entdecken und wurde auch ab und zu positiv überrascht. Leider hat die Klischee-Achterbahn mein Hirn so durcheinander gewirbelt, dass die lustigen und auch die tiefgründigeren Stellen schnell in den Hintergrund gerückt sind vor dem Neandertaler-mäßigen "Du gehörst mir" des supergutaussehenden, ultramuskulösen Finn.
Die Geschichte ist leider auch noch als Zweiteiler aufgebaut und man sollte sich gut überlegen, ob man dem, was diese literarische Soap Opera auf noch einmal 300 Seitenbereithalten könnte, gewachsen wäre. Ich bin es nicht.