Konsequente Weiterentwicklung
Auf seinem 2. Werk „Goodbye and Hello“ von 1967 entwickelt Tim Buckley seinen Stil weiter. Die Songs werden länger (bis über 8 Minuten) und abenteuerlicher. Larry Beckett erinnert sich: „Zu dieser Zeit verging kein Tag, an dem wir nicht Dylan hörten.“ „Highway 61 revisited“ und „Blonde on Blonde“ waren Inspiration und Ansporn zugleich. Neben Lee Underwood agieren auf dem Album noch die Gitarristen Brian Hartzler und John Forsha, Mitglied der Folk-Band „The New Christy Minstrels“. Jazz-Bassist Jimmy Bond unterstützt Jim Fiedler. Der Conga-Spieler und Percussionist Carter C.C. Collins sorgt neben Eddie Hoh (er spielte schon für die Monkees und mit Mike Bloomfield) am Schlagzeug für ein stabiles Grundgerüst. Dave Guard vom „Kingston Trio“ an Kalimba und Tamburin sowie Don Randi (Akteur bei „Pet Sounds“ von den „Beach Boys“) an den Tasten setzen instrumentale Feinheiten. Der Produzent Jerry Yester, Mitglied des „Modern Folk Quartet“ und von „Lovin`Spoonful“, fügt weitere Klangtupfer an Orgel, Piano und Harmonium bei. Das liest sich erstmal nach überladenem Sound, ist es aber nicht. Die Akteure gehen mit viel Feingefühl zu Werke, so dass den Kompositionen genug Raum zum Atmen bleibt.
Die Platte enthält 10 Musterbeispiele des Psychedelic-Folk: „No man can find the war“ holt den Protestsong aus seiner muffigen Traditionalisten-Ecke, wie es schon Phil Ochs praktiziert hat. Dieser Track beginnt mit einer Atombombenexplosion, die am Ende noch mal rückwärts abgespielt wird, als Symbol für die Forderung der Beendigung des Wettrüstens. Der „Carnival Song“ erzeugt mit Walzer-Rhythmus Kirmes-Athmosphäre und zeigt damit Parallelen zu „The Benefit of Mr. Kite“ vom „Sgt. Pepper-Album“ der „Beatles“. Ein Album, das Tim geliebt hat. „Pleasant Street“ ist ein fesselnder, aufwühlender Anti-Drogen-Song voll von hingebungsvollem Gesang. „Hallucinations“ trägt seinen Namen zu Recht: im Hintergrund sorgen gegen den Strich gebürstete Kalimba-, Gitarren- und Percussion-Sequencen für Störfeuer und erzeugen damit verwirrende Sounds. Angetrieben durch schnelle Akustik-Gitarren-Riffs und energetische Conga-Unterstützung wühlt sich Buckley durch „I never asked to be your Mountain“. In diesem Song versucht er die Trennung von seiner schwangeren Frau aufzuarbeiten. Er brauchte 21 Anläufe, um seine Ansprüche optimal umzusetzen, erst dann war die Aufnahme im Kasten. „Once I was“ und „Phantasmagoria in two“ sind zum Heulen schöne Balladen. Ein kleines barockes Zwischenspiel bietet “Knight-Errant”, bevor sich das über 8minütige gesellschaftskritische, hypnotische, epische Titelstück langsam in die Hirnwindungen frisst. Es reflektiert die Konflikte zwischen der Jugend und der etablierten Gesellschaft. Versöhnlich wird das Album mit dem zarten „Morning glory“ beendet. Der engelsgleiche Hintergrundchor besteht hier nur aus den Stimmen von Tim und Jerry Jester, die im Multi-Tracking-Verfahren vervielfältigt wurden. Das Album kommt mit Hilfe massiver Promotion bis auf Platz 171 der U.S.-Billboard-Charts. Zumindest ein Achtungserfolg, der Tim aber ungeheure Insider-Reputation einbringt.