Melodik und Esprit schon beim frühen Haydn
Etwa zehn Jahre bevor Haydn Ende der 1769er Jahre die ersten mustergültigen Exemplare der später verbindlichen viersätzigen Quartettform schuf, schrieb er etwa ein Dutzen "Divertimenti" in einer fünfsätzigen Form. Je zwei sehr knappe schnelle Ecksätze und Menuette umrahmen einen melodisch ausdrucksstarken langsamen Satz: Schnell-Menuett-Langsam-Menuett-Schnell. Drei solcher Werke sind auf dieser CD versammelt, je eines aus op.1 und op.2, sowie eines, das nicht im Hob.-Verz. enthalten ist. Dieses Werk ist das umfangreichste, weicht formal etwas vom obigen Schema ab, da anstelle eines Kopfsatzes ein Thema mit Variationen in langsamem Tempo tritt. Meines Wissens ist dieses Stück noch nicht eingespielt worden, jedenfalls nicht auf alten Instrumenten. Das A-Dur-Stück aus op.2 folgt dem obigen Schema, während op.1/3 mit einem wunderschönen adagio (ein Echo-Duett der Violinen) beginnt und ein spritziges Scherzo zwischen die Menuette setzt.
Die weitere Besonderheit der CD ist nämlich die Beachtung der Tatsache, dass seinerzeit eine Violone, kein Cello als Bassinstrument üblich war. Unabhängig davon beitet das Wiener Piccolo Concerto jedenfalls spielfreudige und wohlklingende Interpretationen dieser phantasievollen Musik, die nicht nur brillante Unterhaltung bietet, sondern schon einen Einblick in die Variationskunst und Vielfalt des unerschöpflichen Experimentators Haydn. Da (mit Ausnahme einer etwas kratzigen Pioniertat des Concentus Musicus mit op.1/3) neuere HIP-Quartette die frühen Divertimenti bisher ignoriert haben, ist die Einspielung beinahe konkurrenzlos (und kann auch mit den wenigen konventionellen Einspielungen dieses Repertoires sehr gut mithalten oder übertrifft sie) . Vorbehaltlose Empfehlung!