Unpathethisch komödiantisch
Die Inszenierung am Stadttheater Nürnberg ist hinsichtlich ihrer bühnenbildlichen Umsetzung orientiert an einer Art Pop-Art-Ästhetik eines Roy Lichtenstein. Farbige, lichtdurchflutete Räume mit strukturellen Versatzstücken dieses Genre kennzeichnen die Räume. Das wirkt nicht aufgesetzt oder provokatorisch, dürfte aber für den traditionellen Geschmack nicht zwingend sein. Die Inszenierung betont das leicht Komödiantische, hat keine pathetische Deutungsschwere und stellt so einen Aspekt von Wagners Werkintention in den Mittelpunkt, die ja in der ambivalenten Geschichte des Werks nicht oft gegeben war.
Singschauspielerisch stelle ich eine gesamtensemblemäßig solide Umsetzung fest, in der auch markante Schwächen auszumachen sind. Herausragend ist die Gestaltung des Beckmesser durch Jochen Kupfer, eine hervorragende Leistung. Auch der Sachs von Albert Pesendorfer ist rollendeckend wie der David von Tilman Lichdi. Der Stolzing von Michael Putsch zeigt schon deutliche sängerische Schwächen, ist aber immer noch akzeptabel.
Marcos Bosch dirigiert mit einer malerisch betonten Note ohne dramatisch pathetische Schärfung.
Insgesamt eine durchaus empfehlenswerte Inszenierung, vorausgesetzt man kann das moderne Konzept in der bühnenbildlichen Umsetzung akzeptieren.
Anmerkungen:
Nachfolgende Anmerkungen erheben keinen Anpruch auf einen doktrinären Deutungsanspruch, der bei dem ambivalenten Weltanschauungskünstler Wagner unsinnig wäre. Sie fordern nur dazu auf, sich selbst auseinanderzusetzen in rationaler Weise.
Wohl kaum ein Werk ist so sinnverfälschend in nationalistisch -
nationalsozialistischen Beschlag genommen worden. Wagners Vision einer zukünftigen Gemeinschaft wurde umfunktioniert zu romantisierend tumber Deutschtümelei und noch schlimmer zu nationalistisch - chauvinistischer Anspruchshaltung.
Es geht um die dirkte Verbindung von Kunst und Gesellschaft, die Vorbildfunktion der Kunst für die Gemeinschaft und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Kunst ein entscheidendes Medium einer zukünftigen gesellschaftlichen Ordnung sein kann. Die Werkintention ist aus Wagners umfangreichen schriftlichen Hinterlassenschaften relativ klar einzugrenzen.
Die vielfach vertretene Meinung, diese Oper sei geschichtlich datierbar zeitgebunden und insofern auch bühnenbildlich optisch fixiert, ist nachweisbar falsch. Auch hier benutzt Wagner lediglich den Mythos als Transportrahmen seiner Botschaft. Wagner erklärt ausdrücklich, daß historische Stoffe nur noch für Romane taugten, da sie überzeitlicher Qualitäten und ewig gültiger Wahrheiten entbehrten. In der dramatischen Kunst käme nur noch der Mythos infrage, da er jederzeit wahr wäre und sein Inhalt bei dichtester Gedrängtheit für alle Zeiten unerschöpflich sei. Wagner benutzt auch nur ein mythisches Nürnberg, ein imaginärer Ort was die realen, gesellschaftlichen Aspekte betrifft. Denn Nürnberg war in der Realität von Patrizierfamilien beherrscht und alles andere als demokratisch. Die romantische Stilisierung Nürnbergs geht auf Heinrich Wackenroder zurück. Es schloß 1797 fälschlicherweise von der Optik der Stadt auf ihre innere politische Verfaßtheit und setzte so die Fabula des romantischen Nürnberg in die Welt.
Mit diesem geträumten Nürnberg, diesem Idyll deutschtümelnder Seele, haben sich romantisch nationale Seelen stets identifiziert. Eine Traumvorstellung, die infolge der noch nicht geeinten deutschen Nation, damalig noch eine reale, nachvollziehbare Hoffnung bzw. Nachvollziehbarkeit aufwies.
Nürnberg ist für Wagner ein geistig imaginärer Ort, in der seine Weltanschauung in der Zukunft existent wird.
Immer wieder liest man auch vorwurfsvoll über Intellektualismus, wenn es um Interpretationen für die Bühne geht, Wagner habe sich an das Gefühl seiner Zuhörer richten wollen. Das verkennt die Begrifflichkeit Wagners von der "Gefühlswerdung des Verstandes". Damit ist keine sentimentale Gefühligkeit gemeint, sondern das Gefühl als Ergebnis von Selbstreflexion und Erkenntnis, also über die Ratio zum Gefühl und nicht Gefühl ohne Ratio. Leider ist letzteres eine weit verbreitete Wahrnehmungsqualität in der Wagner Welt mit der Ausbildung von servilen Meisterverehrern in kultischer Verzückung. Diese Art der Wahrnehmung ist eine latente Gefahr. Nicht die rationale, die Zusammenhänge durchschauende, kritisch analysierende.
Im Schlußbild der Meistersinger erfolgt gewissermaßen die Einlösung einer gesellschaftlichen Utopie in visionärer Entfaltung. Sachs ist die Zentralfigur der Vermittlung zwischen Tradition und Erneuerung.
Bei Einlassungen zu Wagner liest man des öfteren die Klage über eine Politisierung des Werks. Das ist natürlich vollkommen deplatziert, denn Wagner selbst führt mit seinem Satz - "Niemand könne dichten ohne zu politisieren"- vor Augen, wie er seine Kunst einordnet und verortet sieht. Das gilt umso mehr für ein durch die Zeiten führendes Werkverständnis, das von Wagner selbst gewollt wurde. Infolgedessen sind auch permanente Klagen über angebliche Verfälschungen seiner Werke absolut unsinnig. Natürlich ist es Geschmacksache wie man einzelne Umsetzungen bewertet, was aber gar nicht geht ist, aus mangelndem Wissen über den Weltanschauungskünstler Wagner, Urteile zu fällen, die auf eine illusionäre Wahrnehmung zurückgehen, mehr den eigenen Wunschvorstellungen als den Realiäten entprechen.
Leider sind gewisse Wagnerianer absolut resistent gegenüber Fakten, denn sie wollen lieber in ihrem Traumschiff der deutsch-nationalen Seele lustwandeln.