Brutal, verwirrend und hoch spannend – ein Thriller für starke Nerven
Zum Inhalt:
Als mitten im kirgisischen Winter der grausam verstümmelte Leichnam einer jungen Frau in Bischkek aufgefunden wird, kann Inspektor Akyl Borubaew noch nicht ansatzweise erahnen, welch weite Kreise dieser rätselhafte Fall ziehen wird. Erst recht nicht, zwischen welche gefährlichen Fronten ihn dieser Fall führen wird…
Meine Meinung:
Zugegebener Weise hatte ich leichte Startschwierigkeiten mit diesem Buch. Diese lagen insbesondere in der mir sehr fremden Welt und Kultur Kirgisistans begründet. Dazu kommt, dass ich anfangs echte Probleme hatte, mit den kirgisischen Namen der Charaktere klarzukommen und mir diese zu merken und dass ich mit den Orten bislang nichts verbinden konnte. Auf der anderen Seite macht diese für mich fremde Welt Kirgisistans, diese vollkommen andere, manchmal nur sehr schwer nachzuvollziehende Kultur auch einen besonderen Reiz dieses Buches aus. Die Trostlosigkeit, die sich in der eisigen Landschaft, in den Bauten und in den Seelen der Menschen manifestiert, ist schier allgegenwärtig. All das in einem bitterarmen Land, das an seine Zukunft anscheinend selbst nicht mehr zu glauben vermag. Es ist definitiv ein außergewöhnliches Setting für einen Thriller, abseits der inzwischen ausgetretenen Pfade z.B. skandinavischer Bestseller-Thriller.
Auch die Charaktere habe ich als alles andere ans gewöhnlich empfunden. Allen voran Inspektor Borubaew, der zwar wie so viele andere seiner literarischen Zunft auch, stets nicht nur gegen Kriminelle, sondern auch gegen seine eigenen Dämonen im Inneren ankämpfen muss und schon fast selbstzerstörerische Triebe hat. Als sehr fesselnd empfunden habe ich, dass man bei fast allen Charakteren sich nie ganz sicher sein konnte, auf welcher Seite sie tatsächlich stehen und was sie im Schilde führen.
Mindestens genauso rätselhaft wie einige Charaktere ist auch die Story an sich. Sie ist spannend, gar fesselnd, stets temporeich und führt Inspektor Borubaew mitten hinein in ein nahezu undurchdringliches Dickicht von Unwahrheiten und scheinbar nur schwer in Zusammenhang zu bringenden Ereignissen. Je tiefer er bei seinen Ermittlungen gräbt, umso mehr Fragen werfen sich auf. Dabei gerät er zwischen allen Fronten und droht zum Spielball diverser mächtiger und gefährlicher Parteien zu werden. Schnell wird ihm klar, dass er niemandem vertrauen kann.
Aber nicht nur der Inspektor tappt über weite Teile des Buches im Dunkeln, was die Hintergründe der Taten betrifft. In den meisten Thrillern entwickele ich beim Lesen meine eigenen Theorien. In guten Thrillern führen mich die Autoren dabei (ggf. mehrfach) gekonnt aufs Glatteis. In schlechten Thrillern behalte ich mit meinen Theorien Recht. In DIESEM Thriller, tappte ich genauso lange im Dunkeln wie der Inspektor und hatte genau wie er lange Zeit keine blasse Idee einer Theorie. Das muss einem schon gefallen, mir hat es jedenfalls gefallen.
Auch darf man nicht zu zartbesaitet sein, wenn man „Blutiger Winter“ lesen möchte. Es ist durch die Brutalität stellenweise echt harte Kost und auch Wortwahl und Ausdrucksweise des Autors sind hart, absolut schonungslos und oftmals auch erschreckend bildhaft (Zitat S. 18: „Ich konnte ihre Eingeweide riechen, den Gestank und Geschmack von Eisen, als hätte ich meinen Kopf zwischen ihren Beinen gehabt und sie während ihrer Periode geleckt.“). Auch der Humor, der selten zu Tage tritt, ist hart und trieft vor Zynismus.
FAZIT:
Ein harter, fesselnder und schneller Thriller mit einer für mich nicht vorhersehbaren Storyentwicklung in der mir vollkommen unbekannten Welt und Kultur Kirgisistans, was für mich anfangs durchaus etwas gewöhnungsbedürftig war.