Ein interessantes Buch mit tollem Artwork aber unklarem Adressatenkreis
„Liebe Schwester, wenn du dieses Buch in Händen hältst, dann bedeutet das, du bist bereit, deine Lehrzeit anzutreten. Bestimmt hast du bereits einen Teil deiner Kräfte wahrgenommen; mit diesem Handbuch kannst Du lernen, sie weiterzuentwickeln und zu beherrschen.“ (Aus der Einleitung)
„Magie ist an sich weder gut noch schlecht. Die Art, wie wir sie verwenden, macht sie dazu“ (S. 21)
Meine Meinung:
Dieses Buch ist schon rein optisch ein besonderer Hingucker: ein mattes, edles Hardcover im Großformat, mit Goldprägung und einem (zumindest mich) begeisternden Artwork, das sich auch im Inneren fortsetzt und dem man die französische Herkunft dieses Buches ansieht.
Nach einem neugierig machenden Inhaltsverzeichnis und einer Einleitung, die mit den Worten „Liebe Schwester“ beginnt (Hey – und das in Zeiten gendergerechter Anreden!) bietet dieses Buch zunächst eine kompakte Reise durch die Jahrhunderte, beginnend mit einer kurzen Spurensuche bei den vergangenen Kulturen dieser Welt, sei es im alten Ägypten, bei den alten Griechen oder auch den Kelten – zu diesen Zeiten ging es noch nicht um „Hexen“, wohl aber um Magie und die Kräfte der Natur.
Erst im Laufe der Jahrhunderte kristallisiert sich das „Wesen der Hexen“ heraus, bevor die düsterste Zeit im 14. Jahrhundert beginnt, als die Hexerei vom Pabst zur Häresie erklärt wird, und Heinrich Kramer im 15. Jahrhundert den unheilvollen „Malleus Maleficarum“ (den „Hexenhammer“) verfasst. Selbstverständlich darf die furchtbare Zeit der Hexenverfolgung, die zwischen dem 15. Und 17. Jahrhundert ihren grausamen Höhepunkt erreichte („Nordeuropa versinkt im Wahn der Hexenverfolgung“ – S. 27) in einem solchen Buch wie diesem nicht fehlen. Eindringlich, bewegend, aber dennoch einfühlsam berichten die Autorinnen über diese Zeit. Bei vielen Fakten fühlt man beim Lesen einen dicken Kloß im Hals, z.B. dass Frauen 80% der Angeklagten und 85% der Verurteilten stellten oder dass 1692 in Salem, Massachusetts, bei den berühmt-berüchtigten Hexenprozessen über 20 Menschen ihr Leben verloren. Und dass dies alles aus Neid, Eifersucht, Missgunst und / oder Unwissen passiert ist. Ein schreckliches Zeitalter der Menschheit, mit dem die Autorinnen souverän umgehen.
Sehr gut gefällt mir dabei das Stilmittel, dass die Autorinnen hier berühmte und / oder „berüchtigte“ Personen der Geschichte „zu Wort kommen lassen“, in dem ein kurzes, fiktives Statement aus ihrer Sicht präsentiert wird – wie z.B. die frühe US-amerikanische Menschenrechtlerin Mathilda Joslyn Gage.
Die „Geschichte der Hexen“ portraitieren die Autorinnen bis in unsere heutige Zeit, in der sich erschreckender Weise noch immer beklemmende Tatsachen auftun, z.B. dass Saudi-Arabien noch heute über eine Religionspolizei gegen Hexen verfügt (und auf Hexerei die Todesstrafe steht!) oder dass es in Ghana „Hexenlager“ gibt. Seichter wird dann erst die Betrachtung der „Hexen“ in der modernen Popkultur mit Hermine Granger, Willow Rosenberg & Co.
Danach „wandelt“ sich der Inhalt dieses Buches – weg von der Geschichte mit all ihren teils erstaunlichen, teils erschreckenden Fakten hin zu „spirituellen Inhalten“. Ab hier geht es dann um magische Symbole, esoterische Tränke und die „Kraft der Steine“. Auf Seite 66 findet sich zum Beispiel unter der Überschrift „Wende dein Wissen an!“ das „Das Herbarium der Hexen“, in dem „vier Kräuter, denen auch magische Fähigkeiten zugeschrieben werden“ vorgestellt werden. Darüber hinaus gibt es hier noch etwas über Talismane zu lesen, ebenso wie eine „Einführung ins Pendel-Orakel“.
Auch wenn mir dieses Buch von seiner Aufmachung und seinem Artwork her sehr gut gefällt, passen doch der „Fakten-Teil“ und der „esoterische Teil“ für mein Empfinden nicht wirklich gut zusammen. Zudem stelle ich mir die Frage, an welchen Leserkreis sich dieses Buch eigentlich wendet. Offiziell findet sich eine Leseempfehlung „ab 12“, allerdings finde ich es persönlich etwas zweifelhaft, Kinder auf die Idee zu bringen, Pendeln einfach so auszuprobieren oder auch dazu aufzufordern, nicht mehr benötigte Talismane zu verbrennen… Das halte ich für durchaus gefährlich!
FAZIT:
Wunderbare gestaltete Seiten mit interessanten und gut recherchierten historischen Informationen. Den „esoterischen Teil“ würde ich persönlich meinem 12jährigen Kind aber nicht alleine zu lesen geben!