Schwere Kost
Der Klappentext hatte mich bereits auf eine aufwühlende und dramatische Geschichte vorbereitet. Und ich kenne die Art und Weise, wie Matt Haig schreibt und mit welchen Untiefen der Seele er sich zum Teil in seinen Romanen auseinandersetzt auch bereits – aber „Der fürsorgliche Mr. Cave“ hat mich dann doch mehr mitgenommen, als ich erwartet hatte.
Die Geschichte wird aus der Sicht von Terence Cave, Besitzer eines Antiquitätenladens und vom Schicksal schwer gebeutelt, erzählt. Seine Worte richtet er an seine Tochter, Bryony.
Zu Beginn der Handlung (und dies ist kein Spoiler, da es bereits im Klappentext enthalten ist), verliert Terence seinen Sohn und Bryony damit ihren Zwillingsbruder. Dieser weitere Verlust scheint für Terence den Punkt zu markieren, an dem er unter dem Leid und Schmerz seiner vorangegangenen Verlust (Mutter und Ehefrau) zerbricht.
Sein Bestreben, seine Tochter zu beschützen, äußert sich in extremen Regeln und fortlaufender Überwachung, gegen die die Teenagerin umso heftiger rebelliert. Einige der Szenen, die sich in dem Roman abspielen, waren für mich sehr aufwühlend. Und ja, im Verlaufe des Romans wird klar, dass Terence in bestimmten Situationen keinen gesunden Bezug mehr zur Realität hat und sich seine psychische Verfassung auch zunehmend verschlechtert. Dass sein Verhalten wahnhaft und sein Drang nach Kontrolle zwanghaft ist. Die Erfahrungen mit seiner Mutter und die Art und Weise, wie seine Frau zu Tode gekommen ist, sorgten bei mir zumindest dafür, dass ich verstehen konnte, wieso sein Verhalten so eskalieren konnte.
Der Schreibstil des Autors ist wie immer flüssig und liest sich sehr angenehm. Die Handlung war dagegen weniger „schön“ – und auch die Auflösung der Handlung zum Ende hin hat mich dieses Mal nicht, wie z.B. bei der „Mitternachtsbibliothek“ mit einem hoffnungsvollen Blick nach vorne zurückgelassen.
Auch wenn man den Eskalationsprozess der Geschichte irgendwie vorausahnen kann, so war ich von der Tiefe, mit der sich Matt Haig mit dem Absturz von Mr. Cave auseinandersetzt, doch auch fasziniert. Es ist eine toxische Mischung aus Schuldgefühlen, Trauer, Wut und einem unbändigen Wunsch den letzten Menschen zu beschützen, der ihm geblieben ist, die sein Verhalten verursacht. Wenn man in Betracht zieht, dass man es hier mit den Taten eines Mannes zu tun hat, die vermutlich aufgrund einer Art Psychose oder etwas in dieser Richtung geschehen, so wäre auch Mr. Cave eigentlich wiederum ein „Opfer“ und „Täter“ zugleich. Mein erster Impuls war allerdings auch, dass ich vor allem in Bryony das „Opfer“ gesehen habe, dass unter den Regeln ihres Vaters um Freiheit kämpft. Ich will damit nicht andeuten, dass Mr. Caves Verhalten zu rechtfertigen ist, aber diese Erkenntnis, dass er ja nicht von Grund auf „böse“ ist, um böse zu sein, sondern seine Handlungen aufgrund einer psychischen Erkrankung erfolgen, macht den Roman vielleicht beim Lesen auch so „unbequem“.
Von mir erhält „Der fürsorgliche Mr. Cave“ dennoch vier von fünf Sternen.