Viel auf einmal
Miaskowskiy Sinfonien sind ein Kontinent von Musik. Leider wird sein Werk im Konzertbetrieb weitgehend ignoriert. Dies ist nicht ganz unverständlich - denn diese Musik ist oft sehr introvertiert, spricht eine Sprache, an die man sich erst herantasten muß (Ausnahmen bestätigen die Regel), vergleichbar darin vielleicht der Sinfonik von Arnold Bax (mit dem Miaskowsky die Vorliebe für dreisätzige Sinfonien teilt). Hinzu kommt, daß dieser Komponist schwer einzuordnen ist. Nicht so offen ambivalent wie Schostakowitsch, nicht so lyrisch extrovertiert wie Prokofjew, nicht so unverschämt systemkonform und "schön" wie Gliere. Wer sich die Mühe macht, auf "Entdeckungsreise" zu Miaskowskys Sinfonik zu gehen, wird belohnt! Natürlich halten nicht alle Sinfonien (27!) die gleiche Höhe. Es sind schwache Sachen dabei, uninspirierte und vom Programm her an der Grenze des Peinlichen (für die Nachgeborenen!) wie die "Kolchssinfonie" und Ähnliches. Aber: Was für großartige Musik finden wir in der 5., 8., 9., 10. Sinfonie. Wie schön die 15. , 21. -einsätzige -Sinfonie mit einem einleitenden Klarinettensolo, dessen Melodik ihresgleichen sucht! Meine persönlichen Favoriten sind die 24 und 25 (auch bei naxos auf einer CD erschienen), auch 26 und 27. Immer hat Miaskowski einen eigenen Klang, der mit keinem anderen Komponisten seines Umfeldes zu vergleichen ist. Manchmal spricht diese Musik von nichts anderem als von bodenloser Einsamkeit und wird doch in ihrer inneren Kraft zum Triumph über die wahrhaft fürchterlichen Umstände ihrer Entstehungszeit.
Wer die russische Musik des 20 Jh. kennenlernen will, kann hier "Funde" ohne Ende machen.
Leider bewegt sich die Qualität der Aufnahme nicht immer auf höchster Höhe, sowohl von der Ausgefeiltheit des Musizierens als vom Klangtechnischen her gesehen. Aber der Umstand, daß hier wirklich alle 27 Sinfonien zu hören sind, entschädigt allemal.
Karsten Erdmann