Ein rasantes und abwechslungsreiches Abenteuer aus dem „Einsamer Wolf“-Spielbuchuniversum
Allgemeines zum Thema Spielbücher:
Spielbücher haben ihre Wurzeln in den 1970'er Jahren, also weit vor der Digitalisierung der Welt im Allgemeinen und der Unterhaltungsmedien im Speziellen. Ähnlich wie die artverwandten Pen-&-Paper-Rollenspiele á la „D&D – Dungeons & Dragons“ oder auch „DAS – Das schwarze Auge“ liegt der Fokus bei Spielbüchern darauf, den Fortgang der Geschichte durch eigene Entscheidungen aktiv zu beeinflussen („willst Du links herum gehen, lies weiter bei 306, gehst Du rechts herum lies 357“). Hieraus ergibt sich eine Vielzahl von möglichen Verläufen der Geschichten, so dass man ein Spielbuch durchaus mehrmals lesen kann, ohne dass es langweilig wird.
Zum Inhalt:
Nach dem unerwarteten Tod des Königs von Siyen droht der Thron auf den grausamen Baron Sadanzo überzugehen, denn der rechtmäßige Thronerbe, Prinz Karvas, befindet sich seit Jahren im Exil. Dein Auftrag ist es, ihn in der Ferne aufzuspüren und sicher nach Siyen zu bringen, bevor die Krönung Sadanzos vollzogen wird. Doch diese Mission ist voller Unwägbarkeiten und Gefahren…
Meine Meinung:
Die im Deutschen 20 Bände (englisches Original: 28) umfassende Reihe um den Helden „Einsamer Wolf“ von Joe Dever zählt zu den absoluten Klassikern und Highlights des Spielbuch-Genres. Mit der Reihe „Die neuen Kai-Krieger“, dessen dritter Band „Die Krone von Siyen“ ist, wurde eine Nachfolgerreihe mit einem neuen, frischen Helden etabliert, den es durch die mannigfaltigen Abenteuer und Gefahren zu führen gilt.
Das Buch umfasst knapp 550 Seiten im Softcover-Umschlag bei wirklich schöner Ausstattung mit farbiger Übersichtskarte und vielen sehr stimmungsvollen und passigen Schwarz-Weiß-Illustrationen von Brian Williams. Als Besonderheit bekommt der Leser zum eigentlichen Haupt-Abenteuer noch ein Bonus-Abenteuer, dazu im Folgenden mehr.
Das titelgebende Hauptabenteuer erstreckt sich über rd. 300 Seiten und ist in 350 Sprungpunkte aufgeteilt. Zu Beginn gilt es natürlich erst einmal, den eigenen Helden zu „erschaffen“ und sich das detaillierte, sehr gelungene Regelwerk zu Gemüte zu führen. Für „Einsamer Wolf“-Fans sicherlich ein Leichtes, aber auch für „Neulinge“ keine allzu schwere Herausforderung (Wenn man hierbei nicht in sein Buch schreiben möchte, kann man sich die Aktionsblätter auch von der Homepage des Mantikore Verlags herunterladen!). Das Kampfsystem funktioniert gut und ist nicht zu kompliziert. Ein besonderer Fokus bei der Erschaffung des eigenen Helden sollte auf den Spezialeigenschaften („Disziplinen“) liegen, von denen es eine ganze Menge gibt. Meines Erachtens sind einige davon wesentlich hilfreicher als andere und kommen im Abenteuer auch häufiger vor als andere. Eine geschickte Wahl der Disziplinen kann im Abenteuer durchaus lebensrettend sein!
Der eigentlichen Story ist ein sehr komprimiertes, aber gutes „was bisher geschah“-Kapitel vorangestellt, sodass auch „EW-Neulinge“ einen schnellen inhaltlichen Einstieg in das Fantasy-Universum des Einsamen Wolfes finden. Relativ schnell geht es dann auch schon los in das erste Abenteuer des neuen Kai-Kriegers. Besonders gut gefallen hat mir hierbei die hohe Abwechslung (man reist zu Lande, zu Waser und in der Luft) und die stets sehr dichte Fantasyatmosphäre. Hieraus ergeben sich einige Stunden intensiver Spiel- und Lesespaß, bei dem man das Buch eigentlich gar nicht mehr aus der Hand legen möchte, bis man seine Mission erfolgreich erfüllt und Prinz Karvas wohlbehalten zurückgebracht hat.
Wie bereits erwähnt bekommt der Leser noch ein weiteres „Bonus-Abenteuer“, auch wenn es vom Umfang her eigentlich durchaus ein eigenständiges Buch sein könnte (rd. 170 Seiten mit 150 Sprungpunkten und sehr schönen Illustrationen von Rich Longmore). Hierfür haben die Autoren Florent Haro und Vincent Lazzari auf Basis des bestehenden Regelwerks eine stimmige Geschichte entworfen, die die parallelen Geschehnisse um den Zauberer Acraban und das Luftschiff „Sternenschweif“ erzählt und sehr gut zum „Hauptabenteuer“ passt. Auch dieses Abenteuer ist sehr abwechslungsreich und spannend und bietet dem Leser sehr viele verschiedene Möglichkeiten zur Entwicklung der Geschichte.
Alles in Allem ein sehr empfehlenswertes Fantasy-Spielbuch mit insbesondere folgenden Stärken:
+ sowohl für Neuanfänger wie auch für „Alte Hasen“ geeignet und reizvoll
+ es gibt mehrere mögliche Wege, das Ziel zu erreichen und damit das Abenteuer erfolgreich zu beenden (man muss nicht einen einzigen erfolgreichen „Pfad“ finden)
+ ja, es gibt einige Situationen in denen man Gefahr läuft zu sterben, aber durch die Kai-Disziplinen kann man sich meistens doch noch retten
+ eine sehr fantasievolle und abwechslungsreiche Story (Reisen zu Land, Luft und Wasser / viele unterschiedliche Stationen)
+ sehr dichte und gelungene Fantasy-Atmosphäre (wie beispielsweise die Bakhasa mit den kadaverartigen Soldaten)
+ ausgereiftes und einzigartiges Konstrukt der Kai-Disziplinen (besondere Eigenschaften), die sehr oft im Spielverlauf zum Tragen kommen und nicht selten das Leben retten können
+ durch die Figur des Prinz Karvas spielt man dieses Abenteuer weitgehend nicht als Einzelkämpfer, sondern hat meistens einen (allerdings natürlich passiven) Mitstreiter an seiner Seite
+ schöne Rätsel, von denen einige nur durch entsprechendes Wissen gelöst werden konnten
Gestört hat mich lediglich das subjektiv empfundene Ungleichgewicht der Spezialfähigkeiten. Manche sind immer wieder aufgetaucht, andere dafür (in meinem Spielstrang) gar nicht. Hier hätte es etwas ausgewogener sein dürfen. Auch sind mir persönlich in diesem Abenteuer die Themen „Ruinen, Gewölbe, Höhlen etc.“ ein bisschen zu kurz gekommen. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Alles in allem war es mal wieder ein tolles Abenteuer!
FAZIT:
Erneut ein rundum gelungenes und sehr empfehlenswertes Fantasy-Spielbuch, sowohl für Anfänger als auch für „Alte Hasen“. Bitte mehr!