Johann Sebastian Bach: Die Kunst der Fuge BWV 1080 für 4 Saxophone (180g)
Die Kunst der Fuge BWV 1080 für 4 Saxophone (180g)
2
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- Künstler: Berliner Saxophon Quartett
- Label: CPO, 1990
- Bestellnummer: 7971787
- Erscheinungstermin: 3.8.2018
- Gesamtverkaufsrang: 6315
- Verkaufsrang in LPs: 2276
Produktinfo:
Johann Sebastian Bachs »Kunst der Fuge«, das »Gipfelwerk abstrakter, architektonischer Kompositionskunst« (Edwin Fischer), tritt uns hier in der Interpretation des Berliner Saxophon Quartetts in einer ungewöhnlichen und unerwartet reizvollen Form entgegen.
Bach hat den vermutlich 1747 oder erst 1749 begonnenen Fugenzyklus ohne Instrumentierungsanweisung und, mit wenigen Ausnahmen, ohne Bezeichnungen hinterlassen. Auch hat er ihn, wohl bedingt durch zwei Augenoperationen Anfang 1750 und schließlich durch seinen Tod am 28. Vll. desselben Jahres, nicht zur Vollendung gebracht. Als Quellen verfügen wir nur über die Stimmen der Partitur in Form des Berliner Autographs (der Handschrift der Preussischen Staatsbibliothek und verschiedener Notenseiten von Bachs Hand), über verschiedene Abzüge des Erstdrucks (vermutlich zwischen 1750-53 zu datieren) und ein einseitiges, nach Smend von Carl Philip Emanuel Bach angefertigtes Errataverzeichnis; Dokumente, die bis zur Wiederentdeckung durch Wolfgang Graeser 1924 und einer ersten Aufführung des Werks 1927 in Vergessenheit geraten waren.
Fast scheint es, als sei es Bach nicht mehr wichtig erschienen, wie seine letzte zusammenhängende Komposition, die Summe seiner gesamten Fugenkunst, klanglich umgesetzt würde. Nicht einmal der Name des Werks. von fremder Hand dem Autograph zugefügt, ist authentisch. Auch wissen wir nichts Sicheres über den Ursprung des variierten Themas, den Zeitpunkt seiner Entstehung und mögliche Beziehungen zu dem vorausgegangenen »Musikalischen Opfer«. Hatte sich zunächst die Überzeugung durchgesetzt, Bach habe die »Kunst der Fuge« für ein Tasteninstrument, für Cembalo (Clavichord) oder Orgel (Walcha) geschrieben (s. z. B. Leonhardt: »Kunst der Fuge, Bachs letztes Cembalowerk«), gab es dennoch seit Graesers Wiederentdeckung vielfach Anlass zu ganz verschiedenen Instrumentierungen, vor allem in Streichquartett- und Kammerorchesterform: Der Katalog enthält denn auch die unterschiedlichsten Interpretationen, von Tästeninstrumenten, Streichund Holzblasinstrumenten bis hin zu Blechbläsern. Bach mag sie alle gemeint oder an keine von ihnen gedacht haben. Sicher ist lediglich, dass die hier vorliegende Quartettfassung nicht in seiner Vorstellung war, da das hier verwendete Blasinstrument, nach dem belgischen lnstrumentenmacher Adolphe Sax »Saxophon« erst knapp 100 Jahre nach seinem Tod entwickelt und 1846 in Paris patentiert wurde.
Der Hörer hat Gelegenheit selbst zu beurteilen, wie sehr sich das Saxophon bzw. die im Quartett versammelten Mitglieder der großen Saxophonfamilie (Sopran)- (Tenor)-, Alt- und Baritonsaxophon für die Darstellung von Bachs visionärer Musik eignen. Ursprünglich vom Erbauer als Brücke zwischen Holz- und Blechblasinstrumenten konzipiert, wurde das Saxophon bald in der Kammermusik eingesetzt. Ein frühes Beispiel ist das Saxophonquartett von Jean-Baptiste Singelee aus dem Jahr 1857. Das Instrument fand aber auch Eingang in die Militärmusik und, in den zwanziger Jahren, in die Jazzmusik, wo es noch immer eine zentrale Rolle spielt. Als Jazzinstrument ist es denn auch vielen Musikhörern bekannt. Weniger geläufig ist die Tatsache, dass das Saxophon neben seiner kammermusikalischen Verwendung in der Konzert-, Opern- und Ballettliteratur wirkungsvoll eingesetzt wurde, beispielsweise bei Kastner »Le dernier roi de Juda«(1845), Meyerbeer, Bizet, Massenet oder bei Debussy (Rhapsodie), Glasunow (Konzert in Es) und vielen anderen, von Prokofieff über Kodaly, Hindemith, Villa-Lobos, Gershwin bis Ravel (Bolero). Richard Strauss verwendete ein Saxophonquartett in seiner »Symphonia domestica«. Für eigenständige Saxophonquartette findet man ebenfalls Beispiele. So kann also kein Zweifel daran bestehen, daß sich der charakteristische Ton der Saxophone hervorragend zur Ausleuchtung des polyphonen Wunders der »Kunst der Fuge« eignet. Das Saxophonquartett, so wird man hier bemerken, ermöglicht eine »erfrischende Neuinterpretation« (Dümling).
Friedemann Graef (Baritonsaxophon) hat das Werk für Saxophon-Quartett eingerichtet und legt es mit Detlef Bensmann (Sopransaxophon), Christof Griese (Tenorsaxophon) und Klaus Kreczmarsky (Altsaxophon) der Öffentlichkeit vor, ermutigt durch Erfolge bei zahlreichen Aufführungen des Werkes u. a. in Berlin, Heidelberg, Frankfurt, Köln, Bremen, Düsseldorf und Budapest. Friedemann Graef hatte bereits Anfang der achtziger Jahre Teile der »Kunst der Fuge« für Saxophonquartett gesetzt. 1986 erhielt er von der Peterskirche in Frankfurt am Main (Kantor Reinhold Finkbeiner) den Auftrag zur Bearbeitung des Gesamtwerkes, das ihm wie kaum ein anderes geeignet erschien, die Linien der kontrapunktischen Polyphonie mit den Stimmen und den besonderen Klangfarben der vier gewählten Saxophone nachzuzeichnen und auf solistische und zugleich kammermusikalische Weise auszudeuten:
»Die Idee zur Bearbeitung von Bachs ›Kunst der Fuge‹ hatte für mich mehrere Quellen:
1) Die spätromantische Literatur für Saxophonquartett ist größtenteils melodieorientiert und für die Spieler der tieferen Instrumente weniger attraktiv. Unser Quartett besteht aber aus vier ambitionierten Solisten. Die Gleichberechtigung aller Stimmen in den Fugen bringt somit einen ›sozialen‹ Aspekt in die Ensemblearbeit. Möglicherweise wollte Bach auch durch ein konsequent kontrapunktisches Werk – zu dieser Zeit war dieser Stil bereits aus der Mode – einen Akzent setzen gegen die Melodieseligkeit der beginnenden Vorklassik.
2) Für ein Streichquartett, und damit auch für ein Saxophonquartett, ist die ›Kunst der Fuge‹ ein Schlüsselwerk in Hinsicht auf kommunikative Gestaltung der Artikulation, Balance der Dynamik und rhythmisches Zusammenspiel. Das Herangehen an dieses Werk hat also auch eine pädagogische Komponente.
3) Die rhythmischen Strukturen habe ich durch Zerlegungen und Verteilungen noch weiter akzentuiert, wodurch eine intensive Kommunikation provoziert wird, die für mich eine wesentliche, geradezu notwendige Qualität der Kammermusik darstellt. In einigen der Kontrapunkte gibt es Schlüsse, die mehr als vierstimmig sind. Diese Stellen habe ich durch satztechnische Veränderungen so eingerichtet, dass sie für vier Saxophone spielbar werden. Das Saxophonquartett liefert außerdem einen so obertonreichen Klang, dass Oktavparallelen unnötig werden« (Friedemann Graef).
Die Reihenfolge der 14 Fugen und 4 Kanons ist eigenwillig und weicht von derjenigen ab, die Graeser vorgeschlagen und seiner ersten öffentlichen Gesamtaufführung des Werkes in kammermusikalischer Form am 26. Juni 1927 in der Leipziger Thomaskirche zugrunde gelegt hatte. Die von J. S. Bach vorgesehene Reihung der Einzelteile ist uns nicht sicher bekannt; ist es die Reihenfolge der Handschriften, oder die der verschiedenen Abzüge des Erstdruckes, die möglicherweise vom Notenstecher (mit)bestimmt war; was bedeutet der auf der Rückseite des letzten Blattes der Quadrupelfuge notierte Hinweis auf »einen anderen Grund-Plan«; trifft eine der zahlreichen später vorgeschlagenen Anordnungen die Intentionen Bachs besser, hat Wilhelm Friedemann Bach bei der Ordnung des Nachlasses Korrekturen angebracht? Wir wissen es nicht genau. Dies lässt dem Einfühlungsvermögen jedes einzelnen Bearbeiters den begehrten Spielraum, von dem so viele unterschiedlichen Gebrauch gemacht haben - und der in der vorliegenden Bearbeitung besonders genutzt wurde. Die Anordnung der Fugen geht von der Konzertsituation aus. Um dem Hörer den Zugang zu erleichtern wurde eine möglichst abwechslungsreiche, zugleich aber den inneren Zusammenhang des Werkes gewährleistende Folge gewählt.
Durch subjektive Wahl von Tempi, Lautstärken und Artikulationen erhält jeder Block eine ihm eigene innere Dramaturgie. Jedem einzelnen Kontrapunkt wird durch die Instrumentierung eine Stimmung zugeordnet, die diese Dramaturgie unterstützt und die dem Hörer die Gelegenheit eröffnet, sowohl die harmonischen und motivischen Strukturen der jeweiligen Fugen als auch die Besonderheiten der Saxophonstimmen bei der Ausgestaltung dieser Strukturen zu verfolgen. Letzteres wird durch einen zwar dynamischen aber dennoch strengen Stil des Musizierens ohne Legato und ohne Vibrato ermöglicht. ln der vorliegenden Fassung führt der Duktus zunächst zu den vier einfachen vierstimmigen Grundfugen, allerdings in veränderter Reihenfolge, nämlich Contrapunctus 3 mit dem Thema in der Umkehrung vor Contrapunctus 2 mit seiner rhythmischen Veränderung. Abweichend von Graeser und Walcha folgen sodann die kanonischen Fugen 15, 16 und 17, von denen die erste in der Oktave mit allen vier Instrumenten, die zweite mit Sopranund Tenor- und die dritte mit Alt- und Bariton-Saxophon dargestellt wird. lm dritten Block werden die vier mehrstimmigen Fugen vorgezogen; zuerst die Tripelfugen Nr. 8 und 11, wobei die drei Stimmen von Contrapunctus 8 auf alle vier lnstrumente verteilt sind. die hier ein besonderes Exempel des solistischen Ensemblespiels bieten. Es folgen die Doppelfugen, zunächst Nr. 10 mit der Umkehrung des Hauptthemas, wie in Contrapunctus 5 angelegt, dann Nr. 9 mit einem neuen Thema und seiner Vereinigung mit dem Hauptthema. Die Gegenfugen schließen sich in der Reihenfolge der Umkehrung in Wertgrößen an, um über den für Sopran- und Bariton gesetzten zweistimmigen Kanon zu den beiden vierstimmigen Spiegelfugen überzuleiten. In diesem Block verdient Contrapunctus 7 hervorgehoben zu werden; hier verdichtet sich die Weitergabe der Vergrößerung von Grundgestalt und Umkehr über die einzelnen Stimmen hin zu idealem Musizieren und zugleich zur Vorstellung der besonderen Klangfarben aller vier Instrumente. Besonders überzeugend in der musikalischen Gestaltung sind die Spiegelfugen, vor allem Contrapunctus 13a und b, die Gelegenheit geben (Sopran) und Alt in strenger Zwiesprache mit dem Bariton und anschließend mit dem Tenor zu verfolgen. Schließlich vereinigen sich alle vier Instrumente zur Quadrupelfuge, die im dritten Thema B-A-C-H abbricht, an der Stelle, die auf der letzten Seite des Autographs den möglicherweise von Carl Philipp Emanuel Bach stammenden handschriftlichen Zusatz trägt: »NB Ueber diser Fuge, wo Der Nahme B A C H im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfaßer gestorben«. Hier scheint sich das rätselhafte Werk in seinem Kern zu enthüllen;die Interpretation erreicht hier Höhepunkt und Abbruch.
So verklingt Bachs monumentales Fugenwerk mit der Stimme des Tenorsaxophons, ein Werk, das ursprünglich vielleicht sogar in der letzten Phase von Bach's Gesundheit, also zwischen 1747 und dem Beginn des Jahres 1750, als Jahresgabe für die »Korrespondierende Societät der musikalischen Wissenschaften« komponiert worden war. Bach war in die von Mizler von Kolof gegründete Akademie 1747 aufgenommen worden und hatte der Verpflichtung, jährlich mindestens ein Werk zu liefern, für das erste Jahr mit der Komposition »Einige canonische Veränderungen über Vom Himmel hoch« Genüge getan. So ist der Gedanke weitergesponnen worden, dass das vorliegende Fugenwerk nach Bach's Besuch im Potsdamer Schloss, also parallel zum »Musikalischen Opfer«, in Angriff genommen wurde und gedieh, bis das Augenleiden der Arbeit ein Ende setzte.
Rezensionen
Rheinische Post vom 15.4.93: »Wer das famose Berliner Saxophon Quartett je Bachs ›Kunst der Fuge‹ hat spielen hören, der gab alle Vorbehalte gegen diese kuriose Besetzung sogleich auf. Das Ensemble musiziert so gewandt und klangschön, daß es scheinen will, der alte Bach habe aus dem Elysium sein Einverständnis vermittelt.«Fanfare (USA) 9/94: »Exzellente, sensitive Musiker. Mit Durchsichtigkeit und Detailfreudigkeit herrlich aufgenommene Darbietung.«
Rondo 04/2018: »So eine mehr als nur eine überzeugende Version brachte 1990 das Berliner Saxophon Quartett heraus. Und mit ihren Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxofonen verwandelten die Musiker diese ›Kunst der Fuge‹ in ein ungemein harmonisches Geflecht aus Stimmen und Stimmungen, bei denen sogar Anleihen aus dem Jazz und dem Minimalismus eines Michael Nyman aufblitzen.«
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