Absolut unterschätzt
Maiden haben in den 90ern ein paar Probleme gehabt.
Zum Ausklang der 80er entschieden sich Maiden mit Somewhere in Time und Seventh Son of a Seventh Son Synthesizer in ihren Sound einzubringen, als zeitgleich Bands wie Slayer, Megadeth und Metallica, sowohl als auch Bands wie Death, Terrorizer, Morbid Angel, Carcass etc etc für brachialeren, schnörkellosen Wumms sorgten.
Obwohl beides geniale Alben waren und sind wurde SSOASS Ende der 80er von manchen tatsächlich mit Spinal Tap verglichen.
Das Bandgefüge war fragil, Solo Eskapaden waren 'in' und so kam es zum Ausstieg von Adrian Smith.
Maiden hatten mit schrumpfender Fangemeinde zu kämpfen. Maiden waren mal so gar nicht cool.
Sie gehörten tatsächlich fast zum alten Eisen.
So wolltem sie sich auf ihre Wurzeln berufen. Mit Janick Gers stiegein neuer Gitarrist ein und 1990 erblickte das rohere No Prayer for the Dying das Licht der Welt.
Eine konservative Metalgemeinde, denen Maiden ZU progressiv waren goutierte dieses Hin und Her nicht und strafte das Album mit Nichtbeachtung.
1992 wurde Fear of the Dark aggressiv gehyped und durch dir Werbung kam das Album, zumindest im Vergleich zum Vorgänger, relativ gut an. Enthielt es doch auch ein paar Gassenhauer.
Ein roter Faden in Maidens Karriere ist, dass sich die Fangemeinde nicht die 'besten', sondern 'verkitschten' Songs als Publikumslieblinge 'aus-erkürt'. So enthält dieses Album weitaus bessere Lieder als das inzwischen live schon bis zur Unverträglichkeit tot gerittene Titellied.
Maidens Probleme wuchsen und Sänger Bruce Dickinson hatte, wie Kollege Smith, eher Bock auf Solo-Karriere als auf Maiden. Sprach's und verließ die Band, Abgang rechte Bühnenseite.
Auftritt Blaze Bayley, linke Bühnenseite.
Der neue Sänger hatte mit vielem zu kämpfen, vor allem aber mit einer, ach so offenen Metalgemeinde, die in ihrem Konservatismus in Teilen sogar einen Franz Joseph Strauss vor Scham erröten lassen würde.
Heisst: ungefähr 100% der Maiden Fans gaben einer Band, die Iron Maiden heißt, aber KEINEN Bruce Dickinson als Frontmann hat, gar nicht erst eine Chance.
Das erste Album The X-Factor wurde entsprechend besprochen. Die Fangemeinde schrumpfte.
Das ist die lange Vorgeschichte, die notwendig ist, um zu verstehen, warum ein Album wie 'Virtual XI' in der Historie von Iron Maiden, mit viel Wohlwollen ausgedrückt, KAUM Beachtung findet.
Es ist ein Album aus einem Guss. The Angel and the Gambler und Como estais amigos sind sicherlich nicht Maiden-typisch, passen deshalb jedoch umso besser ins Repertoire.
Erfrischend, dass Maiden ENDLICH mal wieder einen Longplayer mit 'nur' acht Liedern hinbekamen...wie in den 80ern.
Futureal ist so ziemlich der beste Opener, den Maiden jemals hinbekommen haben.
Und mit 'The Clansman' haben Maiden ihren letzten wirklich, wirklich großen Klassiker geschrieben, der sich in eine Reihe setzen lässt mit Titeln wie Hallowed be thy name und Rime of the Ancient Mariner.
Ohne jegliche Übertreibung.
Leider strafte die Fangemeinde Maiden weiter mit Missachtung.
Dazu kam, dass man sich gerade im Jahr 1998 befand. Der Ausklang der wilden 90er.
Die gleiche Metalwelt, die Maiden mit Missachtung strafte war sträflich enttäuscht von Alben wie Load & Re-Load, Machwerken wie The Spaghetti Incident von Guns n Roses usw usw
Es war komplett uncool 'Metal' zu hören.
Und nach 'The X-Factor' gaben die meisten Fans dem zweiten Album mit Blaze Bayley gar nicht erst eine Chance.
Ich kqnn jedem nur empfehlen auf einer Plattform seiner/ihrer Wahl, sich das komplette Album noch einmal zu Gemüte zu führen.
Viele werden merken, dass es ALLE Ingredienzen beinhaltet, die Maiden seit Dance of Death so sträflich vermissen lassen.
Dass Bruce Dickinson und Adrian Smith sich trotz ihrer Solo Eskapaden recht schnell zu einer Rückkehr zu Iron Maiden entschieden, dürfte allgemein bekannt sein. Dass der Nachfolger Brave New World als absoluter Maiden Klassiker gilt, und das vollkommen zu Recht, wohl auch.
Wie sehr wurde Brave New World abgefeiert.
'Dickinson wieder da'
'Drei Gitarristen'
'Mehr Maiden geht gar nicht'...
Undsoweiter.
Was viele allerdings nicht wissen ist:
Einige der Songs, die auf Brave New World veröffentlicht wurden, sind eigentlich für Virtual XI geschrieben worden.
So zum Beispiel Blood Brothers, Nomad, Mercenary und Dream of Mirrors.
'Virtually' das halbe Album Brave New World besteht also aus Songs von Virtual XI.
Ich entschuldige mich für diesen Ausflug in die Historie. Vor allem weil es inzwischen weit mehr als 25 Jahre sind, die diese Episoden zurückliegen.
Aber die Qualität eines Albums wird nicht unbedingt durch dessen Popularität und schon gar nicht durch etwaigen Zuspruch aus einer Fangemeinde allein ersichtlich.
Damit meine ich 'nicht ausschließlich'.
Es lag auch und vor allem am Zeitgeist wie Maidens Alben ab 1990 wahrgenommen und bewertet wurden.
Dieser Effekt beschert Iron Maiden im gegenteiligen Sinn jedoch auch ungebändigten Zuspruch, selbst wenn es um Alben wie The Book of Souls oder The Final Frontier geht. Sogar Senjutsu wird gemocht. Von einigen.
Dies liegt daran, dass Maiden nach Brave New World auch wieder 'cool' waren, durch die Metal Presse gehyped wurden(nach allen anderen Enttäuschungen war gerade auch niemand anders da, der gehyped werden KONNTE) und generell postiv besprochen wurden. (Das komplette Gegenteil zum Beginn der 90er)
Jeder Person, der nach dem Ausstieg Nicko McBrains flau ums Maiden Herz wird kann ich Virtual XI nur wärmstens empfehlen.
Das sind Maiden, die mit neuem Sänger um ihren Platz im Metal Olymp kämpfen.
Gerade einmal 18 Jahre nach ihrem Debüt Album auf einem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft.
Und das ist inzwischen gute 26 Jahre her.
Ich komme ans schwelgen.
Verzeihung.
Aber diese 8 Songs sind Teil eines der besten Maiden Alben, die es gibt.
Eine nochmalige Chance hat dieses Album bei jedem Maiden Fan verdient.