Matthias Ronnefeld: Werke II
Werke II
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
- Grodek op. 7 für Sopran, Mezzosopran & Ensemble; Capriccio op. 8 für Cembalo & Violine; 4 Lieder für Dulcinea op. 9 für Sopran & Klavier; Konzertstück für Orgel op. 3; Andante op. 1 für Viola & 5 Instrumente; 7 Lieder nach dem Hohelied Salomos op. 5b; Veni, creator spiritus für Klavier 4-händig
- Künstler: Daniela Bechly, Christian Tetzlaff, Athelas Sinfonietta Kopenhagen, Sebastian Gottschick
- Label: DaCapo, DDD, 99/00
- Bestellnummer: 3332283
- Erscheinungstermin: 7.11.2000
Der leidenschaftliche Intellekt
Die Jahre 1960-80 waren eine der turbulentesten Perioden der westlichen Musikkultur. Die große Erzählung, das große Drama der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts, war bis dahin der unversöhnliche Zusammenstoß zwischen einer kompromisslosen Moderne und einem traditionsbewussten Neoklassizismus. Trotz der Unversöhnlichkeit hatten beide Lager ein gemeinsames Projekt in dem Sinne, dass sie beide den archimedischen Punkt suchten, von dem aus die Kunstmusik wieder den ganzen Erdball erschüttern konnte.
Im Idealfall ging es für beide Seiten darum, ein Idiom zu finden, wiederzuentdecken und zu vermitteln, das zugleich universell und authentisch war - also letztlich um (den Traum von) der Rückgewinnung der verlorenen Einheitskultur, der verlorenen Unschuld und damit der gemeinsamen großen Erzählung.
Bereits 1949 bezeichnete Theodor W. Adorno - der Chefideologe der Moderne - diesen Anspruch als überholt und naiv, eine Auffassung, die György Ligeti ab den späten 1950er Jahren in die künstlerische Praxis zu übertragen begann.
Mit zunehmender Politisierung und Globalisierung und vor allem mit dem Aufkommen der Jugendkultur in den 1960er und 1970er Jahren verlor die Vorstellung einer einheitlichen Kultur, die von einer führenden Avantgarde angeführt wird, ihren letzten Rest an Glaubwürdigkeit und Faszination. Stattdessen entstand eine Reihe von lebendigen Subkulturen. Der Materialfetischismus der dogmatischen Moderne und die eindeutige Nostalgie des Neoklassizismus wichen einem gefälligeren, aber nicht unbedingt weniger verbindlichen Pluralismus der Stile.
Rock, Folk, Minimalismus, Aleatorik, Dritte-Welt-Musik, Neoromantik, Collagetechniken, Fluxus-Happenings, Instrumentaltheater, Bruitismus, Sonorismus usw. usw. - alles stand dem Komponisten allmählich zur Verfügung, wenn er meinte, etwas damit zu tun zu haben.
Für die damals sehr junge Generation von Komponisten, die um 1960 geboren wurde, bot diese üppige Wildnis sowohl Verlockungen als auch Gefahren: Die Freiheit, seinen eigenen Weg zu gehen, war verlockend, aber man konnte sich leicht verirren. Identitätsverlust, Gleichgültigkeit und Zynismus lauerten überall. Die postmoderne Erfahrung war schonungslos gegenüber dem traditionellen Kunstbegriff, den sowohl die Moderne als auch der Neoklassizismus kultiviert hatten. Denn wo ist die Kunst, wenn der Künstler nur für sich selbst sprechen kann? Ist eine Kunst, die nicht auf Universalität beharren kann und will, überhaupt Kunst?
Viele gaben auf, andere fanden Wege, die eher Abkürzungen oder Umwege darstellten. Matthias Ronnefeld ist es gelungen, nicht nur seinen Weg zu finden, sondern auch eine eigene klare Stimme in der labyrinthischen Klanglandschaft zu entwickeln.
Ronnefeld wurde am 17. April 1959 in Wien geboren und wuchs in einem kosmopolitischen Künstlermilieu als Sohn des deutschen Dirigenten und Komponisten Peter Ronnefeld (1935-65) und der dänischen Pianistin und Musikpädagogin Minna Ronnefeld (f. 1931).
Matthias Ronnefeld, der bis zu seinem 18. Lebensjahr die österreichische und danach die dänische Staatsbürgerschaft besaß, erhielt seinen ersten Musikunterricht im Alter von 7 Jahren bei Alice Harnoncourt in Wien (Violine) und bei seiner Mutter (Klavier). 1969 bis 1978 lebte er in Kopenhagen, wo er seine Schulausbildung mit dem Abitur am Det fri Gymnasium abschloss. Gleichzeitig setzte er sein Musikstudium bei Egil Harder und Herman D. Koppel (Klavier), Finn Høffding und Per Nørgård (Musiktheorie und Komposition) fort.
Von 1978-82 studierte Ronnefeld an der Hochschule für Musik in Hamburg, wo sein Hauptfachlehrer für Komposition Günther Friedrichs war.
Er komponierte bereits seit seinem sechsten oder siebten Lebensjahr und führte sein erstes größeres Werk, eine Weihnachtskantate, im Alter von zwölf Jahren an seiner Schule auf. Eine Sinfonie aus dem Jahr 1974 wurde 1977 von Det unge Tonekunstnerselskab, der dänischen Sektion der ISCM, uraufgeführt. Sein offizielles Opus 1 - Andante für Klarinette, Posaune, Klavier, Schlagzeug, Bratsche und Kontrabass - entstand 1979, ein Jahr nachdem er sich dauerhaft in Hamburg niedergelassen hatte. Dort gründete er u. a. mit dem Dirigenten Sebastian Gottschick, dem Geiger Christian Teztlaff und dem Pianisten Johannes Harneit das Ensemble Moments Musicaux, dessen Repertoire vor allem zeitgenössische Musik umfasste.
Das Werkverzeichnis von Matthias Ronnefeld ist nicht lang. Es umfasst 12 mit Opuszahlen versehene Werke, von denen Opus 11 ein unvollendetes Orchesterwerk im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks ist, sowie seinen Schwanengesang, das nicht nummerierte Klavierwerk Veni, Creator Spiritus von 1986. Alle Werke stehen im Zusammenhang mit seiner Arbeit in und mit dem Ensemble Moments Musicaux.
Matthias Ronnefeld starb am 29. Oktober 1986 im Alter von 27 Jahren in Hamburg nach einem schweren, aber aussichtslosen Kampf gegen eine bösartige Zuckerkrankheit, die ihn seit seiner frühesten Kindheit geplagt hatte.
Es ist kaum übertrieben, Matthias Ronnefeld als einen der begabtesten Komponisten seiner Generation zu bezeichnen. Schon früh fiel er als Ausnahmetalent von erstaunlicher künstlerischer Reife und mit einer handwerklichen Gewandtheit auf, die seine jugendliche, undogmatische Radikalität locker wettmachte. Entscheidend für seine Entwicklung war die Begegnung mit Bernd-Alois Zimmermanns stilistisch pluralistischem Universum (die Oper Die Soldaten) und mit György Ligetis Mikropolyphonie und de-semantisiertem Spiel mit Sprache und Musiktheater (Aventures und Nouvelles Aventures). 1978, als Ronnefeld an Ligetis Vorlesungen teilnahm, wurde dessen surrealistische Oper Le Grand Macabre in Stockholm uraufgeführt.
Bei Ronnefeld finden sich Spuren von Zimmermann und Ligeti, am deutlichsten in Miracles op. 10, der Klarinettensonate op. 12 (instrumentale Theatereffekte) und dem Orgelstück Christ ist erstanden op. 6 (Mikropolyphonie, Clustertechnik), ebenso wie entferntere Vorbilder wie Arnold Schönberg und vor allem Alban Berg im Sextett op. 2 und den 5 Liedern nach Trakl op. 4 angerufen werden. Überall aber schimmert Ronnefelds ganz persönliche Expressivität durch, ein eigenwilliger künstlerischer Geist von seltener analytischer Kraft und mit einem beeindruckenden Mut, alle wichtigen - auch modernistischen - Erfahrungen auf seine ganz eigene Art zu verarbeiten.
Es gibt viele kompositionstechnische Feinheiten in Ronnefelds Musik, aber sie sind nie Selbstzweck. Traurigkeit, Sehnsucht, grotesker Humor und betörende Sinnlichkeit sind die stärksten Enzyme im tragisch kurzen Lebenswerk dieses leidenschaftlichen Intellektuellen.
Sven Erik Werner 1998
Die Jahre 1960-80 waren eine der turbulentesten Perioden der westlichen Musikkultur. Die große Erzählung, das große Drama der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts, war bis dahin der unversöhnliche Zusammenstoß zwischen einer kompromisslosen Moderne und einem traditionsbewussten Neoklassizismus. Trotz der Unversöhnlichkeit hatten beide Lager ein gemeinsames Projekt in dem Sinne, dass sie beide den archimedischen Punkt suchten, von dem aus die Kunstmusik wieder den ganzen Erdball erschüttern konnte.
Im Idealfall ging es für beide Seiten darum, ein Idiom zu finden, wiederzuentdecken und zu vermitteln, das zugleich universell und authentisch war - also letztlich um (den Traum von) der Rückgewinnung der verlorenen Einheitskultur, der verlorenen Unschuld und damit der gemeinsamen großen Erzählung.
Bereits 1949 bezeichnete Theodor W. Adorno - der Chefideologe der Moderne - diesen Anspruch als überholt und naiv, eine Auffassung, die György Ligeti ab den späten 1950er Jahren in die künstlerische Praxis zu übertragen begann.
Mit zunehmender Politisierung und Globalisierung und vor allem mit dem Aufkommen der Jugendkultur in den 1960er und 1970er Jahren verlor die Vorstellung einer einheitlichen Kultur, die von einer führenden Avantgarde angeführt wird, ihren letzten Rest an Glaubwürdigkeit und Faszination. Stattdessen entstand eine Reihe von lebendigen Subkulturen. Der Materialfetischismus der dogmatischen Moderne und die eindeutige Nostalgie des Neoklassizismus wichen einem gefälligeren, aber nicht unbedingt weniger verbindlichen Pluralismus der Stile.
Rock, Folk, Minimalismus, Aleatorik, Dritte-Welt-Musik, Neoromantik, Collagetechniken, Fluxus-Happenings, Instrumentaltheater, Bruitismus, Sonorismus usw. usw. - alles stand dem Komponisten allmählich zur Verfügung, wenn er meinte, etwas damit zu tun zu haben.
Für die damals sehr junge Generation von Komponisten, die um 1960 geboren wurde, bot diese üppige Wildnis sowohl Verlockungen als auch Gefahren: Die Freiheit, seinen eigenen Weg zu gehen, war verlockend, aber man konnte sich leicht verirren. Identitätsverlust, Gleichgültigkeit und Zynismus lauerten überall. Die postmoderne Erfahrung war schonungslos gegenüber dem traditionellen Kunstbegriff, den sowohl die Moderne als auch der Neoklassizismus kultiviert hatten. Denn wo ist die Kunst, wenn der Künstler nur für sich selbst sprechen kann? Ist eine Kunst, die nicht auf Universalität beharren kann und will, überhaupt Kunst?
Viele gaben auf, andere fanden Wege, die eher Abkürzungen oder Umwege darstellten. Matthias Ronnefeld ist es gelungen, nicht nur seinen Weg zu finden, sondern auch eine eigene klare Stimme in der labyrinthischen Klanglandschaft zu entwickeln.
Ronnefeld wurde am 17. April 1959 in Wien geboren und wuchs in einem kosmopolitischen Künstlermilieu als Sohn des deutschen Dirigenten und Komponisten Peter Ronnefeld (1935-65) und der dänischen Pianistin und Musikpädagogin Minna Ronnefeld (f. 1931).
Matthias Ronnefeld, der bis zu seinem 18. Lebensjahr die österreichische und danach die dänische Staatsbürgerschaft besaß, erhielt seinen ersten Musikunterricht im Alter von 7 Jahren bei Alice Harnoncourt in Wien (Violine) und bei seiner Mutter (Klavier). 1969 bis 1978 lebte er in Kopenhagen, wo er seine Schulausbildung mit dem Abitur am Det fri Gymnasium abschloss. Gleichzeitig setzte er sein Musikstudium bei Egil Harder und Herman D. Koppel (Klavier), Finn Høffding und Per Nørgård (Musiktheorie und Komposition) fort.
Von 1978-82 studierte Ronnefeld an der Hochschule für Musik in Hamburg, wo sein Hauptfachlehrer für Komposition Günther Friedrichs war.
Er komponierte bereits seit seinem sechsten oder siebten Lebensjahr und führte sein erstes größeres Werk, eine Weihnachtskantate, im Alter von zwölf Jahren an seiner Schule auf. Eine Sinfonie aus dem Jahr 1974 wurde 1977 von Det unge Tonekunstnerselskab, der dänischen Sektion der ISCM, uraufgeführt. Sein offizielles Opus 1 - Andante für Klarinette, Posaune, Klavier, Schlagzeug, Bratsche und Kontrabass - entstand 1979, ein Jahr nachdem er sich dauerhaft in Hamburg niedergelassen hatte. Dort gründete er u. a. mit dem Dirigenten Sebastian Gottschick, dem Geiger Christian Teztlaff und dem Pianisten Johannes Harneit das Ensemble Moments Musicaux, dessen Repertoire vor allem zeitgenössische Musik umfasste.
Das Werkverzeichnis von Matthias Ronnefeld ist nicht lang. Es umfasst 12 mit Opuszahlen versehene Werke, von denen Opus 11 ein unvollendetes Orchesterwerk im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks ist, sowie seinen Schwanengesang, das nicht nummerierte Klavierwerk Veni, Creator Spiritus von 1986. Alle Werke stehen im Zusammenhang mit seiner Arbeit in und mit dem Ensemble Moments Musicaux.
Matthias Ronnefeld starb am 29. Oktober 1986 im Alter von 27 Jahren in Hamburg nach einem schweren, aber aussichtslosen Kampf gegen eine bösartige Zuckerkrankheit, die ihn seit seiner frühesten Kindheit geplagt hatte.
Es ist kaum übertrieben, Matthias Ronnefeld als einen der begabtesten Komponisten seiner Generation zu bezeichnen. Schon früh fiel er als Ausnahmetalent von erstaunlicher künstlerischer Reife und mit einer handwerklichen Gewandtheit auf, die seine jugendliche, undogmatische Radikalität locker wettmachte. Entscheidend für seine Entwicklung war die Begegnung mit Bernd-Alois Zimmermanns stilistisch pluralistischem Universum (die Oper Die Soldaten) und mit György Ligetis Mikropolyphonie und de-semantisiertem Spiel mit Sprache und Musiktheater (Aventures und Nouvelles Aventures). 1978, als Ronnefeld an Ligetis Vorlesungen teilnahm, wurde dessen surrealistische Oper Le Grand Macabre in Stockholm uraufgeführt.
Bei Ronnefeld finden sich Spuren von Zimmermann und Ligeti, am deutlichsten in Miracles op. 10, der Klarinettensonate op. 12 (instrumentale Theatereffekte) und dem Orgelstück Christ ist erstanden op. 6 (Mikropolyphonie, Clustertechnik), ebenso wie entferntere Vorbilder wie Arnold Schönberg und vor allem Alban Berg im Sextett op. 2 und den 5 Liedern nach Trakl op. 4 angerufen werden. Überall aber schimmert Ronnefelds ganz persönliche Expressivität durch, ein eigenwilliger künstlerischer Geist von seltener analytischer Kraft und mit einem beeindruckenden Mut, alle wichtigen - auch modernistischen - Erfahrungen auf seine ganz eigene Art zu verarbeiten.
Es gibt viele kompositionstechnische Feinheiten in Ronnefelds Musik, aber sie sind nie Selbstzweck. Traurigkeit, Sehnsucht, grotesker Humor und betörende Sinnlichkeit sind die stärksten Enzyme im tragisch kurzen Lebenswerk dieses leidenschaftlichen Intellektuellen.
Sven Erik Werner 1998
Rezensionen
C. Schlüren in KLASSIK heute 8/01: "Die Aufführungen sind durchweg hochklassig."- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Grodek op. 7 (1980)
- 2 Capriccio op. 8 (1982/86)
Lieder für Dulcinea op. 9 Nr. 1-4 (1981/85)
- 3 Nr. 1 (keine Angaben)
- 4 Nr. 2 (keine Angaben)
- 5 Nr. 3 (keine Angaben)
- 6 Nr. 4 (keine Angaben)
Konzertstück für Orgel op. 3 (1980)
- 7 1. Tema con variazioni
- 8 2. Largo
- 9 3. Finale
- 10 Andante für Viola und 5 Instrumente op. 1 (1979)
Lieder nach dem Hohelied Salomos op. 5b Nr. 1-7 (1981)
- 11 Nr. 1 Ich schlafe, aber mein Herz wacht
- 12 Nr. 2 Erquicket mich mit Blumen
- 13 Nr. 3 Sage mir an, du, den meine Seele liebet
- 14 Nr. 4 Wie schön und wie lieblich bist du
- 15 Nr. 5 Ich will aufsteh'n und in der Stadt umhergehen
- 16 Nr. 6 Dein Schoß ist wie ein runder Becher
- 17 Nr. 7 O dass du mir gleich einem Bruder wärest
Exercitien über Hymnus Hrabanus Maurus "Veni Creator Spiritus" Nr. 1-7 (für Klavier zu 4 Händen) (1986)
- 18 Nr. 1 (keine Angaben)
- 19 Nr. 2 (keine Angaben)
- 20 Nr. 3 (keine Angaben)
- 21 Nr. 4 (keine Angaben)
- 22 Nr. 5 (keine Angaben)
- 23 Nr. 6 (keine Angaben)
- 24 Nr. 7 (keine Angaben)
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