Patricia Kopatchinskaja - Rapsodia
Patricia Kopatchinskaja - Rapsodia
Mit Werken von:
George Enescu (1881-1955)
, György Ligeti (1923-2006)
, György Kurtag (geb. 1926)
, Grigoras Ionica Dinicu (1889-1949)
, Maurice Ravel (1875-1937)
, Jorge Sanchez-Chiong (geb. 1969)
Mitwirkende:
Patricia Kopatchinskaja, Emilia Kopatchinskaja, Viktor Kopatchinsky, Martin Gjakonovski, Mihaela Ursuleasa
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
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Enescu: Minstrel; Violinsonate Nr. 3; Doina et hora marita
+Ligeti: Duo; Doina et hora für Cimbalon solo
+Kurtag: 8 Duos für Violine & Cimbalon op. 4
+Dinicu: Hora staccato
+Ravel: Tzigane
+Sanchez-Chiong: Crin
+Ciocarlia
- Künstler: Patricia Kopatchinskaja (Vioine), Emilia Kopatchinskaja (Violine & Viola), Viktor Kopatchinsky (Cimbalon), Martin Gjakonovski (Kontrabass), Mihaela Ursuleasa (Klavier) ,George (1881-1955) Enescu, György (1923-2006) Ligeti, György (1926-) Kurtag, Grigoras (1889-1949) Dinicu, Maurice (1875-1937) Ravel, Jorge Sanchez-Chiong (*1969) ,
- Label: Naive, DDD, 2009
- Erscheinungstermin: 15.10.2010
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Produktinfo:
Rhapsodie über meine heimat
Jeder Mensch hat eine Heimat – ein Land, eine Familie, oder eine Musik. Ich habe das Glück, in allen drei Dingen eine Heimat zu haben, und von jedem findet sich etwas auf dieser CD. Wie eine Rhapsodie vereint sie die Musik meines Heimatlandes, meiner Vorfahren, die Musik, mit der ich aufwuchs und ohne die ich nicht das wäre, was ich heute bin.
Wir stammen aus Moldawien, einem wunderschönen Land mit starken, ländlichen Gerüchen, mit einem unendlich offenen Himmel, mit warmer Sonne und mit tief schwarzer Erde. Das Leben ist ganz ähnlich wie in Süditalien: Man geht sonntags in die Kirche, baut guten Wein an, isst Polenta und Oliven, ärgert sich über die Mafia. Bei Festen biegen sich die Tische vor Speisen, die Menschen sind lustig und herzlich, die Tänze schnell und ansteckend. Aber Moldawien ist auch sehr arm. Meine Mutter meinte einmal, Gott hat sich die Weltkarte angeschaut und gesagt: »Dieses kleine Volk ist so verzweifelt, ich muss ihnen Trost spenden: Ich schicke mal die schöne Volksmusik dorthin.«
Mein Vater Viktor Kopatchinsky war ein Bauernsohn. Sein Vater sprach polnisch, züchtete Wassermelonen und war so stark, dass er ein Pferd hochheben konnte. Als Bub sass mein Vater eines Tages auf einem Feld und verspeiste einen Maiskolben. Der Wind blies ihm eine ausgerissene Zeitungsseite zu. Darauf war zu lesen, dass die Musikschule der Hauptstadt Kischinau aussergewöhnlich begabte Kinder aus allen Dörfern ruft, damit sie ein Musikinstrument erlernen. Mein Vater warf den Maiskolben so weit weg wie er nur konnte, und rief: »Nie wieder dieses Dorf! Ich gehe in die Hauptstadt und versuche mein Glück!« Er wurde der berühmteste Cymbalvirtuose in der alten Sowjetunion, und sein Ensemble taufte er »Rapsodia«. Das Cymbal hat eine lange Geschichte, wie er mir erzählte: Vor Jahrtausenden spannten Menschen in Afrika die getrockneten Därme ihrer Tiere auf ein Stück Holz. Sie schlugen mit Stäben darauf und sangen dazu. Dieses primitive Instrument hiess Kimval. Aus ihm entwickelte sich in den Alpenregionen das Hackbrett, in Westeuropa das Cembalo und das Klavier, in der Volksmusik Osteuropas das Cymbal. Das Instrument meines Vaters ist 120 Jahre alt und hat über 5 Oktaven. Mit zwei Hämmern geschlagen eröffnet es eine einzigartige Welt von Klangfarben – hören Sie nur, wie wir in der Ciocârlia das Zwitschern und den Flug einer Lerche imitieren. Dazu improvisieren wir, durchaus modern – wieso auch nicht: Kürzlich habe ich gelesen, dass manche Vögel das Mobiltelefon-Klingeln nachzwitschern! In der etablierten klassischen Musik gibt es kaum Originalrepertoire für das Cymbal, nur ein wenig Zeitgenössisches, etwa von György Kurtág (*1926). Er stammt aus dem ungarischen Teil Rumäniens, nicht weit von meiner Heimat. Für mich ist er der grösste lebende Komponist. Ich habe ihm einige Male vorgespielt. Die Begegnungen waren sehr inspirierend – er ist beseelt und besitzt die Kompromisslosigkeit eines Visionärs. Die vorliegende Aufnahme haben wir Kurtág gezeigt und sie entspricht nicht durchwegs seinen Vorstellungen. Für ihn sind etwa manche Tempi zu langsam. Doch seine Musik wird mich mein Leben lang beschäftigen, und meine Interpretationen verändern sich andauernd. Ein Komponist s etzt seine Musik in die Welt und es ist unsere Aufgabe, sie so zu beleuchten, wie wir sie sehen, fühlen und verstehen. In den 8 Duos für Violine und Cymbal vereint er zwei echte Folkloreinstrumente, doch die Musik ist reiner Kurtág: destillierte, auf das Essenzielle reduzierte Sprache – wie lakonische Aphorismen. Wenn Sie Doina und Hora hören, werden Sie merken: Mein Vater spielt wie ein Besessener! Er ist ein Einzelgänger, stolz, nur seinen eigenen Gesetzen folgend. Meine Mutter, Emilia Kopatchinskaja, hat sich genau deswegen in ihn verliebt. Dabei ist sie das absolute Gegenteil: lieblich, höflich, anpassungsfähig. Sie hat ein klassisches Violinstudium absolviert, aber seit sie meinen Vater kennengelernt hat, spielt sie nur noch Volksmusik.
Im Duo Doina und Hora marită hört man die verschiedenen Charaktere meiner Eltern sehr gut. Hora marită ist ein Tanz und bezeichnet hier den Stil der Begleitung auf dem Cymbal: sehr schnell, sehr virtuos. Doina ist ein Klagelied – Klagen ist ganz wichtig in der moldawischen Folklore! Dabei sitzen die Frauen im Kreis und spinnen, und sie klagen einander singend ihr Leid. Die Mütter haben ihre kleinen Kinder auf dem Schoss und wiegen sie in den Schlaf. Ja, unser Volk schläft schon seit der Kindheit mit Jammern ein! Aber genauso mit dem Wissen, dass man so oder so überleben wird.
Meine Eltern waren mit ihrem Ensemble immer auf Reisen, spielten 300 Konzerte im Jahr: im Kreml für die Regierung und die Generäle, in den Fabriken, Gefängnissen, in Sibirien, Nordafrika und Lateinamerika. Wenn man die Căluşari hört – jahrhundertealte Tänze, zu denen einst die Ritter von ihren Pferden stiegen, im Kreis tanzten und dabei mit ihren Lanzen klapperten – ja, dann glaube ich, dass meine Eltern damals eine lustige Zeit hatten.
Eines Abends in Armenien, nach einem Konzert und einem guten Essen, sagten sie sich, es wäre doch schön, ein zweites Kind zu haben. Kurz vor meiner Geburt erlebten meine Eltern das schlimmste Erdbeben in der Geschichte Moldawiens! Dann kam ich zur Welt, als Tochter dieser Eltern, die so unterschiedlich sind wie Feuer und Erde. Mit sechs Jahren haben sie mir eine Geige in die Hand gedrückt. Meine Mutter erzählt, ich hätte gleich alles richtig gemacht – kein Wunder, ich hatte es ja jahrelang bei ihr gesehen.
Als kleines Kind wohnte ich oft bei meiner Grossmutter, die wunderschöne farbige Teppiche webte und mir täglich aus der Bibel vorlas. Jeden Sonntag gingen wir zur Messe. Der getragene Sprechgesang der rumänisch-orthodoxen Priester mit seinem eigenartigen Rhythmus ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Dieses »rubato-parlando« kennzeichnet auch die Volksmusik: Man spielt gemeinsam dasselbe Stück, aber man trifft sich nicht unbedingt bei den Taktstrichen.
George Enescu (1881-1955) hat versucht, dieses »rubato-parlando« auszukomponieren. Er stammt aus Rumänien, wo man dieselbe Sprache spricht wie in Moldawien. Die Sonate für Violine und Klavier »dans le caractère populaire roumain« hat er im Geist der Volksmusik komponiert – aber kein Thema ist direkt zitiert, Enescu hat alles selbst erfunden. Eigentlich kann man folkloristische Musik kaum aufschreiben. Enescus Notenbild ist sehr kompliziert und voller Vorschriften, eine Art phonetische musikalische Notation – stellen Sie sich Chinesisch mit russischen Buchstaben vor. Diese Sonate liegt mir so nahe, dass ich sie nie üben muss. Sie spricht meine Sprache – und diejenige von Mihaela Ursuleasa. Mihaela wurde wie Enescu in Rumänien geboren. Ich habe sie beim Musikstudium in Wien kennengelernt. Schon damals hatte sie keinerlei technische Limite. Als wir an einem lauen Sommerabend diese Sonate erstmals vom Blatt spielten, liefen uns beiden die Tränen – vor Nostalgie nach unserer Heimat und nach der verlorenen Kindheit. Enescu hat auch über seine Kindheit geschrieben: in den Impressions d'enfance op. 28 (1940). Er hatte seinen ersten Geigenunterricht bei einem Volksmusikanten, bevor er nach Studien in Wien und Paris Weltruhm erlangte. »Ménétrier«, der Spielmann, ist der erste Satz der Impressions, ein kunstvolles Portrait eines solchen Volksmusikers – vielleicht seines Lehrers.
Sein Landsmann Grigoraş Dinicu (1889-1949) war zwar klassisch ausgebildet, aber auch der berühmteste rumänische Volksmusikant. Jascha Heifetz soll gesagt haben, er habe nie einen besseren Geiger gehört. In seinem Hora stacc ato muss man mehrere Töne im Staccato auf einen Bogen spielen, in beide Richtungen – das ist so schwer, dass ich es »Horror staccato« nenne! Wir spielen es hier gemeinsam mit dem JazzKontrabassisten Martin Gjakonovski. Er hat sich sofort in die Folklore hineingefunden, gab uns Ruhe und Swing – plötzlich ist niemand mehr geeilt!
Crin hat mein Kollege Jorge Sanchez-Chiong (*1969) 1996 im Kompositionsunterricht für mich geschrieben. Als ich das Stück mit ihm ausprobierte, ist mir von den vielen Pizzicati in der linken Hand plötzlich Blut aus dem kleinen Finger geflossen. Da war er ganz begeistert und sagte: So muss das sein! Das ist mir geblieben: Ich möchte alles wund spielen, bis es ganz durch meinen Körper fliesst. Für diese CD habe ich nur den letzten Teil von Crin aufgenommen. Das Publikum meint oft, ich spreche darin chinesisch – aber es ist Nonsens! In Konzerten baue ich oft Worte in der jeweiligen Landessprache ein und mache damit sozusagen globalisierte Folklore. Ein anderes pseudo-folkloristisches Stück ist Tzigane (1924) von Maurice Ravel (18751937). 1922 hörte er die feurige ungarische Geigerin Jelly d'Arányi. Sie musste für ihn stundenlang im Stil der ungarischen Zigeuner improvisieren. Später hat Ravel sie in Paris mit Bartóks erster Sonate gehört und gesagt: »Ich werde ihr ein diabolisch schwieriges Stück schreiben! Darin werde ich das Ungarn meiner Träume auferstehen lassen – wieso nennen wir es nicht ›Tzigane‹?« Ravel selbst schrieb den Klavierpart auch für Luthéal um, einen modifizierten Flügel, der wie ein Cymbal klingen kann. Selbstverständlich muss ich dieses Stück mit einem echten Cymbal spielen! Für meinen Vater war es harte Arbeit, den Klavierpart umzuschreiben – schliesslich hat er nur zwei Schlägel und nicht zehn Finger wie ein Pianist. Dafür hat das Cymbal unendlich viel mehr Farben als ein Klavier – vom ätherisch-schwebenden bis zum dreckig-irdischen. Aber es geht mir nicht nur um die folkloristischen Wurzeln, sondern auch um das Avantgardistische in diesem Stück. Ravel hat in Tzigane die ungarische Folklore nicht nur reflektiert, sondern destilliert, überhöht und karikiert – so wie Picasso, der durch Fragmentierung und Verzerrung die Realität umso packender fasste. Wussten Sie, dass Ravel Fälschungen liebte? Tzigane ist so eine Fälschung: keine echte Zigeunermusik, sondern eine artifizielle Mischung aus Exotik und Moderne, Erotik und Brutalität, Poesie und Improvisation – eigentlich ein Portrait einer skurrilen und grotesken Person, in dem ich auch viel von mir selbst wiederfinde. Sich selbst zu finden und zu verstehen ist nicht immer einfach – das merkte ich bei György Ligetis (1923-2006) Duo, das seine folkloristische Seite zeigt. Ich habe es playback mit mir selbst aufgenommen – es war das schwierigste Zusammenspiel meines Lebens! Ich habe meine eigenen Rubati nur mit Mühe verstehen können! Dabei sagt man in meiner Heimat: »Ich kenne dich – ich habe dich spielen gehört…« Ihre Patricia Kopatchinskaja aufgezeichnet von Jenny Berg
- Tracklisting
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Ciocarlia
- 2 Menetrier(Impressions d'enfance,op. 28)
- 3 Doina et hora marita
- 4 Sonate pour violon et piano no. 3/Moderato malinconico
- 5 Sonate pour violon et piano no. 3/Andante sostenuto e misterioso
- 6 Sonate pour violon et piano no. 3/Allegro con brio,ma non troppo mosso
- 7 Duo
- 8 Doina et hora pour cymbalum/Doina
- 9 Doina et hora pour cymbalum/Hora
- 10 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 1
- 11 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 2
- 12 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 3
- 13 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 4
- 14 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 5
- 15 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 6
- 16 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 7
- 17 8 duos pour violon et cymbalum,op. 4/No. 8
- 18 Hora staccato
- 19 Tzigane
- 20 Crin
- 21 Calusari 1
- 22 Calusari 2
- 23 Calusari 3
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